Ungarn: Einrichtung neuer Verwaltungsgerichte gekippt

Ab Jänner 2020 sollten in Ungarn ein neues Oberstes Verwaltungsgericht und 8 Verwaltungsgerichte erster Instanz ihre Arbeit aufnehmen. Die Auswahl der rund 300 neuen Richterinnen und Richter war bereits abgeschlossen. Letzte Woche beschloss die Regierung zur Überraschung aller Betroffenen, die vom Parlament bereits beschlossene und kundgemachte Justizreform zu kippen.

Die von Ungarn beschlossene Einrichtung neuer Verwaltungsgerichte war von EU-Parlament mit Sorge betrachtet worden, da die Unabhängigkeit der neuen Gerichte durch die Möglichkeit politischer Einflussnahme nicht gewährleistet erschien. (Siehe dazu: Umstrittene Justizreform in Ungarn – Österreich als Vorbild genannt)

Neben der politischen Ernennung der Gerichtspräsidenten war ein besonderer Kritikpunkt das Auswahlverfahren für jene neuen Verwaltungsrichter, die nicht bereits zuvor an den Zivilgerichten tägig waren, sondern aus der öffentlichen Verwaltung rekrutiert wurden.


Deren Bevorzugung wurde vor dem Hintergrund der seit dem Jahr 2010 immer stärker politisierten Verwaltung als besonders problematisch angesehen, zumal durch einen Ministerialerlass z.B. die mangelnde Treue zur staatlichen Bürokratie oder das fehlende Vertrauen des Vorgesetzen als Kündigungsgründe eingeführt worden waren. Es bestanden daher Zweifel, ob die ihrem Dienstgeber gegenüber loyalen öffentlichen Bediensteten in der Lage sind, über Rechtssachen gegen ihren früheren Arbeitsgeber unparteiisch zu entscheiden.

Die Hintergründe für die Verschiebung der Justizreform auf unbestimmte Zeit wurden nicht kommuniziert, allerdings dürfte das gegen Ungarn geführte Rechtsstaatsverfahren (Art 7 des EU-Vertragsder wesentliche Grund dafür gewesen sein. Ungarn ist offenbar nach der Wahl zum EU-Parlament bemüht „Reibungsflächen“ mit den europäischen Institutionen abzubauen.

Hier geht’s zum Bericht der Europäischen Richtervereinigung (EAJ) über Ungarn vom April 2019

 

 

 

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