Internationaler Strafgerichtshof Den Haag – der Versuch einer Weltjustiz

Von seiner Konzeption her ist der Internationale Strafgerichtshof im niederländischen Den Haag ein „Weltgericht“.

Seine Aufgabe soll sein, Personen die in führender Position an Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Agressionsverbrechen – etwa Vorbereitung eines Angriffskriegs – beteiligt waren, persönlich zur Verantwortung zu ziehen. In welch schwierigem politischen und organisatorischen  Umfeld der Gerichtshof tätig ist, davon konnten wir uns bei unseren Studienbesuch persönlich ein Bild machen.

Kein Weltgericht für alle

Mit den Nürnberger Kriegsverbrecher – Prozessen und den parallel dazu laufenden Kriegsverbrecher – Prozessen in Tokio (1945 bis 1949) wurde nach den Gräuel des 2. Weltkrieges erstmal der Versuch unternommen, Personen zur Verantwortung zu ziehen, die für diese Taten hauptverantwortlich waren.  Die persönliche Straflosigkeit der Haupttäter sollte ein Ende haben. Das größte Problem für die Akzeptanz der Urteile dieser internationalen Militärtribunale war aber, dass den Prozessen der Makel der „Siegerjustiz“ anhaftete. (siehe dazu auch: 70 Jahre Nürnberger Prozesse – Grundstein des Völkerstrafrechts).

Seit dem Jahr 2002 ist der ständige Internationale Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH) beheimatet, der sich mit diesen Verbrechen befasst. Gegründet wurde der Gerichtshof  1998 auf einer Staatenkonferenz in Rom als unabhängige Institution. Er steht außerhalb des UN-Gefüges. Den Staaten steht es frei, ihm beizutreten. Als im Sommer 2002 insgesamt 60 Staaten das sogenannte „Römische Statut“ ratifiziert hatten, nahm der Gerichtshof in Den Haag seine Arbeit auf.

Das Problem des Gerichtshofs: Er kann Verbrechen nur verfolgen, die auf dem Territorium eines Vertragsstaaten oder von Angehörigen von Vertragsstaaten begangen wurde. So können Kriegsverbrechen etwa in Syrien nicht verfolgt werden, weil es sich dabei um keinen Vertragsstaat handelt.

Gerichtsbarkeit und Zulässigkeit von Verfahren

Die Zuständigkeit des IStGH erstreckt sich auf die vier oben genannten Tatbestände (Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Verbrechen der Aggression). Allerdings können nur Fälle behandelt werden, die sich seit dem Inkrafttreten des Statuts (am 1. Juli 2002) ereignet haben. Darüber hinaus muss der mutmaßliche Täter bei Begehung der Tat mindestens 18 Jahre alt gewesen sein und er darf wegen des fraglichen Verhaltens nicht bereits vor einem nationalen Gericht zur Verantwortung gezogen worden sein („Ne bis in idem“).

Die 18 hauptamtlichen Richter werden von der Versammlung der Vertragsstaaten des IStGH-Statuts für neun Jahre gewählt und sollen die bedeutendsten Rechtssysteme der Welt repräsentieren. Die Anklagebehörde, die vom Ankläger geleitet wird, ist von den anderen Organen unabhängig. Sie prüft eingehende Informationen über mögliche Verbrechen, führt die Ermittlungen und vertritt die Anklage vor dem Gerichtshof (siehe dazu: Der Internationale Strafgerichtshof – Aufbau und Arbeitsweise).

Grundsatz des „fair Trials“

Der Gerichtshof legt größten Wert darauf, dass die Einhaltung der Grundsätze des fairen Verfahrens sichtbar erfolgt. Gleichzeitig bringt es Komplexität und die politische Brisanz der Verfahren mit sich, dass eigene Verfahrensregeln geschaffen werden mussten um die Wahrung der Sicherheit aller Beteiligten zu gewährleisten. Das gilt insbesondere für Zeugen, die im Verfahren vor dem Gerichtshof größte Bedeutung haben und die auch den größten Gefahren ausgesetzt sind.

Die Gerichtssäle sind daher so konzipiert, dass die Zeugen zwar von dem Richtern, Angeklagte und den Anklägern gesehen werden können, nicht aber von der Öffentlichkeit. Die Verhandlungen werden live im Internet übertragen, um dem Vorwurf der Parteilichkeit wirksam entgegentreten zu können. Nicht gefilmt werden nur die Zeugen. Da aber die Identität von Zeugen oft geheim gehalten werden muss, erfolgt die Übertragung zeitverzögert, um allfällige Informationen, die eine Offenlegung der Identität von Zeugen bedeuten würden, löschen zu können. Auch für die Verwendung geheimer Dokumente gibt es ein eigenes Verfahren.

Um dem Grundsatz der Waffengleichheit sichtbar zu machen, richtet sich die Zahl der Ankläger nach der Zahl der Beschuldigten bzw. deren Anwälte. Auch die Opfer sind im Gerichtssaal präsent, sie sitzen neben den Anklägern.

Urteile zeigen auch Wirkung

Dr. Heidemaria Gürer, österr. Boschafterin in Den Haag

Auch wenn die Bereitschaft der Mächtigen dieser Welt, sich den Urteilen eines internationalen Strafgerichtshofes unterzuordnen, enden wollend ist, so gibt es doch Beispiel wie internationale Strafgerichtsbarkeit funktionieren könnte. Nach der Verurteilung des kongolesischen Rebellenführers Lubango, der hunderte Kinder als Soldaten missbraucht hatte, zu einer langjährigen Freiheitsstafe, konnte festgestellt werden, dass der Einsatz von Kindersoldaten in Afrika signifikant zurückging und Kindersoldaten dort sogar entlassen wurden. Und der Friedenprozess in Kolumbien wurde auch deshalb von allen Konfliktparteien unterstützt, weil der Gerichtshof gegen die Hauptverantwortlichen auf Regierungs- und Rebellenseite Vorverfahren eingeleitet hatte. Diese sind nach wie vor „unter Beobachtung“.

Im Anschluss an den Besuch des Gerichtshofs wurden die Teilnehmer von der Österreichischen Botschafterin, Frau  Dr. Heidemaria Gürer, in deren Residenz empfangen und bot sich dabei die Gelegenheit zu einem angeregten Meinungsaustausch.

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