Verwaltungsgerichte in den Niederlanden – Effizienz und ihre Grenzen

Verwaltung und die Gerichtsbarkeit in den Niederlanden stehen von jeher im Ruf besonders sparsam und effizient zu funktionieren. Eine Studienreise zum „Centrale Raad von Boerop“, einem der vier Verwaltungsgerichte für Berufungsverfahren in Utrecht, bot die Gelegenheit, diese Gerichtpraxis kennenzulernen.   

Hohe Spezialisierung der Berufungsgerichte  

In den Niederlanden steht gegen jede behördliche Entscheidung oder Tätigkeit ein Rechtsmittel zur Verfügung. Zuständig dafür sind die Verwaltungsgerichte, Zivilgerichte haben so etwas wie eine „Auffangkompetenz“ für nichthoheitliche Akte.

In Verwaltungssachen besteht grundsätzlich ein 2-stufiges Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, bei dem gegen die Urteile der Erstgerichte  („Rechtbank“) eine volle Berufung an eines der vier Obergerichte („Gerechtshof“) zulässig ist. Die Ausnahme: In Asyl- und Umweltsachen kann der Staatsrat („Raadvanstate“) als Höchstgericht angerufen werden, in Finanzverfahren der oberste Gerichtshof („Hoge Raad“). In allen anderen  Verfahren sind die Berufungsgerichte gleichzeitig auch Höchstgerichte.

Die Berufungsgerichte in Verwaltungssachen sind spezialisiert. Es gibt ein Sozial-Arbeitsgericht, ein Finanzgericht, ein Wirtschaftsgericht und ein Umwelt-Asylgericht. Diese sind jeweils für ganz Holland zuständig. In allen Verfahrensarten kommt ein einheitliches Verfahrensrecht zur Anwendung. Um divergierende Rechtsprechung der vier Berufungs-  bzw. Höchstgerichte zu den verfahrensrechtlichen Bestimmungen zu verhindern, finden im 6-Wochen Rhythmus Beratungen zwischen den Gerichten statt.

Hervorragende personelle Ausstattung, betriebswirtschaftliche Methoden

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Was sofort ins Auge fällt, ist die hervorragende personelle Ausstattung. So verfügt beim „Centrale Raad von Boerop“, dem Sozial- Arbeitsgericht, jeder Richter im Durchschnitt über mindestens zwei Richterassistenten, bei 60 Richtern sind das insgesamt 150 Richterassistenten. Die Erledigungskapazität des Gerichtes beträgt rund 7.500 Verfahren im Jahr.

Richterassisten erhalten 6-Jahresverträge und sind absolvierte Juristen. Die hohe Zahl an Bewerbern zeigt, dass die Stellen als Richterassistent am Gericht äußerst begehrt sind.

Was ebenso auffällt, ist die betriebswirtschaftliche Bewertung der gerichtlichen Arbeitsabläufe. Die Verfahren werden zu Produkten, die je nach Schwierigkeitsgrad kostenmäßig bewertet werden. Diese Kostenbewertung ist Grundlage für das Gerichtsbudget, über das jedes Gericht verfügt. Am Ende jeden Kalenderjahres wird der „Gewinn“ oder „Verlust“ des Gerichtes errechnet.

Befristete Bestellung der Gerichtspräsidenten 

Geleitet wird das Gericht von einem dreiköpfigen Vorstand bestehend aus dem Gerichtspräsident, dem „Court“ -Manager und einem nichtrichterlichen Bediensteten. Diese kollegiale Leitung ist vergleichbar mit jenem der Krankenanstalten in Österreich. Der Präsident wird von einem eigenen, mehrheitlich mit Richtern besetzten Gremium für die Dauer von 6 Jahren gewählt, eine zweite Periode von 3 Jahren kann angeschlossen werden. Eine längere Amtsdauer als 9 Jahre ist nicht möglich. Für die Funktion als Präsident kommen nur Richter in Frage, die zuvor erfolgreich eine Management-Ausbildung absolviert haben.

Hohe Altlasten

Aber auch die betriebswirtschaftlichen Methoden konnten nicht verhindern, dass das Arbeits- und Sozialgericht einen Berg von Altfällen aufgebaut hat, der fast das 1 ½ fache der jährlichen Arbeitsleistung beträgt. Grund dafür ist der Umstand, dass bei Beibehaltung der Qualität der Entscheidungen und gleichbleibender personeller Ausstattung der Output nicht weiter erhöht werden kann. Das Gericht ist daher dazu übergegangen, zusätzliche Richterassistenten auszubilden, außerdem ist angedacht, für einfachere Verfahren die obligatorische Senatszuständigkeit durch eine Einzelrichterzuständigkeit zu ersetzen.

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