Der digitale Überwachungsstaat – am Beispiel China

Niemand kann mehr seine Handlungen oder seinen Aufenthaltsort verbergen

Auf den ersten Blick sieht der neueste Ausrüstungsgegenstand der Polizisten in Zhengzhou nicht viel anders aus als eine gewöhnliche Sonnenbrille. Doch die schwarz getönten Brillen, mit denen die Beamten in der Hauptstadt der chinesischen Provinz Henan seit kurzem auf Streife gehen, haben es in sich. Denn in Zusammenspiel mit einer hochmodernen Gesichtserkennungs-Software und im Hintergrund arbeitenden Datenbanken können mit ihrer Hilfe alle Passanten im Blickfeld präzise und innerhalb von Sekunden identifiziert werden. Hinter dem misstrauischen Blick eines Polizisten steckt in China damit nicht mehr nur die Staatsmacht – sondern auch die geballte Macht der Künstlichen Intelligenz.

Es herrscht biometrische Ausweispflicht

Die neuen Brillen sind allerdings nicht nur öffentlichkeitswirksame Spielerei, sondern logische Anwendung der bereits bestehenden Möglichkeiten zur Identifikation aller Bürger. Der Staat verfügt bereits über eine Datenbank mit den Gesichtern von allen 1,3 Milliarden Erwachsenen im Lande – schließlich herrscht biometrische Ausweispflicht.

Der Staat weiß alles und sieht alles

China stellt derzeit den Aufbau des totalen, technisierten Überwachungsstaates fertig. Inzwischen kann niemand mehr seine Handlungen oder seinen Aufenthaltsort verbergen. Die Behörden haben sich in den vergangenen Jahren bereits Zugriff auf alle Datenspuren in der Digitalwelt verschafft. Jetzt stopfen sie die letzten Schlupflöcher in der Realität. Die moderne Technik macht den Traum aller Diktatoren wahr: Der Staat weiß alles und sieht alles.

Zu jedem Bürger sammeln die Behörden künftig täglich Millionen von Datenpunkten. Die Gesichtserkennungs-Brillen sind da nur eine Anwendung von vielen. Das Ministerium für Öffentliche Sicherheit und seine regionalen Ableger betreiben landesweit 170 Millionen Kameras. In drei Jahren sollen es 400 Millionen sein.

Verhalten wird erfasst, bewertet, belohnt oder sanktioniert

Bis 2020 sollen alle privaten und staatlichen Datenbanken in China miteinander verbunden sein. Ziel  ist es, jegliches Verhalten zu erfassen, bewerten, belohnen oder zu sanktionieren. Pilotstädte der „braven“ Bürger gibt es schon.

Die Bürger mit einer A-Bewertung stehen dort auf der roten, die anderen auf der schwarzen Liste. Die auf der roten Liste werden bevorzugt behandelt: bei Zulassungen für Schulen, bei sozialen Leistungen oder auch beim Abschluss von Versicherungen. Die aus der C-Gruppe werden regelmäßig kontrolliert und bekommen bestimmte Einschränkungen. Wer in der untersten Klasse D auftaucht, qualifiziert sich nicht mehr für Führungspositionen, bekommt bestimmte Leistungen gestrichen und verliert seine Kreditwürdigkeit.

Dazu den Beitrag in der Wiener Zeitung lesen …

Und: Chinas Sozialkredit-System- auf dem Weg in die IT-Diktatur

Siehe dazu auch: Indiens vollkommen gläserne Bürger

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