Neben verfahrensrechtlichen Änderungen sind auch weitreichende Reformen der Gewerbeordnung, des UVP-Verfahrens und des Vergaberechts geplant. Bereits im April 2014 sind drei neue EU-Vergaberichtlinien in Kraft getreten, welche eine umfassende Reformierung des nationalen Vergaberechts notwendig machen. In Österreich wurden diese Richtlinien bis dato nicht umgesetzt, sodass ein tägliches Zwangsgeld von fast 138.000 Euro droht.
Dem Regierungsprogramm ist nicht zu entnehmen, inwieweit auf die notwendige Umsetzung der Richtlinien Bedacht genommen wurde.
Auch im Umweltrecht ist Österreich säumig: Die Änderungs-Richtlinie der EU vom 16.4.2014 (2014/52/EU) schafft im UVP-Verfahren neue Prüfbereiche wie Flächenverbrauch, Klimawandel und Ktastrophenrisiken, sie normiert eine Koordinierung bzw. gemeinsame Abwicklung von UVP und anderen Umweltprüfungen und die leicht zugängliche, elektronische Bereitstellung der Unterlagen für die Öffentlichkeit. Ziel der Richtlinie ist die Beschleunigung von Umweltverfahren. Diese Richtlinie wäre von Österreich bis 16.5.2017 umzusetzen gewesen. In der Regierungserklärung findet sich dazu kein Bezug.
Neukodifikation der Gewerbeordnung
Vor dem Hintergrund der europäischen Entwicklung (z.B. Unternehmerbegriff, Zugang zu gewerblichen Tätigkeiten) soll eine Neukodifikation der Gewerbeordnung durchgeführt werden (Umsetzung bis 1.7.2020)
Im Einzelnen sind folgende Maßnahmen geplant:
- Verfahrenskonzentration in Angelegenheiten des Anlagenrechts; Ausbau einheitlicher Eingangsstellen („One-Stop-Shop“) als einheitliche Ansprechpartner unter Einbeziehung aller Ebenen
- Vereinheitlichung des Anlagenverfahrensrechtes für mehr Übersichtlichkeit und Klarheit der anzuwendenden Normen und für eine Erleichterung sowohl für die vollziehenden Behörden als auch für Betriebe und Bürger (mehr Anzeigeverfahren statt Genehmigungs-verfahren; einheitliche Fristen, Reduzierung der Einreichunterlagen etc.)
- Verlängerung der Prüfintervalle und Prüfpflichten (z.B. § 82b GewO)
- Erweiterung der Genehmigungsfreistellungs-Verordnung für ungefährliche Kleinstanlagen (z.B. für alle CE-zertifizierten Geräte) – Ausdehnung der Freistellungen
- Gewerberechtlicher Abbau von Hürden bei der Betriebsübergabe
- Die große Menge an Nachweisführungen und Erbringung von Gutachten ist zu reduzieren: Gutachten für Lärm, Brandschutz, Strahlung, Vibrationen, Explosionsschutz, sonstige Emissions- und Stoffnachweise bis hin zur psychischen Belastung am Arbeitsplatz; Gutachten sollen wechselseitig anerkannt werden
- Harmonisierung von Berichts-, Informations-, Dokumentations- und Meldeverpflichtungen
Verfahrensbeschleunigungen im UVP-Gesetz
Im Einzelnen sind dazu folgende Maßnahmen geplant:
- Einrichtung eines Standortanwalts: Zur ausgewogenen Gewichtung der von einem Vorhaben betroffenen öffentlichen Interessen ist im UVP-G ein Standortanwalt Der Standortanwalt hat das Recht, im UVP-Verfahren als Partei die öffentlichen Interessen, die für ein Vorhaben sprechen, und deren Gewichtung gegenüber anderen öffentlichen Interessen geltend zu machen
- „Einsendeschluss“ für Beweisanträge; kürzere Frist für den Schluss des Ermittlungsverfahrens und Möglichkeit der Beendigung mit dem Ende der mündlichen Verhandlung
- Präklusion mit Einbringung der Beschwerde
- Vermeidung unnötiger Verfahrensschleifen / Beschleunigte Einreichung
- Vermeidung von Verfahrensschleifen durch zügige Mängelbehebungsaufträge der Behörden und Gerichte innerhalb von vier Wochen
- Sachgerechte Eingrenzung überschießender Beschwerde- und Verzögerungsmöglichkeiten
- Beschleunigung von Verfahren durch Erhöhung der Zahl an tatsächlich verfügbaren Sachverständigen durch koordinierte Anstrengungen von Bund und Ländern sowie Stärkung der Ressourcen des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG)
- Zuständigkeitsregelung für bundesländerübergreifende Verfahren (Überwiegensprinzip)
- Zuständigkeit der UVP-Behörde auch nach dem Abnahmebescheid für im Verfahren ausgesprochene Auflagen
- Einzelrichterzuständigkeit für Beschwerdeverfahren im Feststellungsverfahren
- Kostensenkung: Einsparung der Kundmachungskosten durch verstärkte Nutzung des Internets und bürgerfreundliche Abfragemöglichkeit
- Vollkonzentrierte Genehmigungsverfahren (One-Stop-Shop) für Linienvorhaben des BMVIT unter Einräumung einer Parteistellung der Länder
- Durchforstung der umweltrechtlichen Materiengesetze betreffend öffentliches Interesse
hinsichtlich unbestimmter Gesetzesbegriffe
Novellierung der Öffentlichen Auftragsvergabe
Folgende Änderungen sind geplant:
- Verfahrenserleichterungen durch e-Vergabe
- Keine vergabefremden Materien (z.B. zum Bereich Corporate Social Responsibility, CSR) im Vergaberecht
- Bekenntnis zur Verlängerung der Schwellenwertverordnung
- Anhebung der Schwellenwerte
- Verstärkt regionale Wertschöpfung miteinfließen lassen
- Qualität vor Preis: Forcierung des Bestbieterprinzips
- Zusammenrechnungspflicht bei Aufträgen nur für gleichartige Dienstleistungen
- Einführung einer verpflichtenden Anerkennung von e-Rechnungen für den Auftraggeber auch im Unterschwellenbereich
- Gesetzliche Absicherung der Verfahrensvereinfachung durch den Auftragnehmerkataster Österreich (ANKÖ): Explizite Anerkennung der Liste geeigneter Unternehmer (LgU) des ANKÖ als Verzeichnis eines Dritten für den Eignungsnachweis sowie Anerkennung als „nationale Liste“ gemäß EU-Vergaberichtlinien, was insbesondere österreichischen Unternehmen die Teilnahme an Ausschreibungen im EU-Raum erleichtert, da dadurch die Eignungsprüfung vereinfacht wird
- Ausbau der innovationsfördernden öffentlichen Beschaffung (IÖB) auf Bundesebene auf 2% des Beschaffungsvolumens des jeweiligen zentralen öffentlichen Auftraggebers