Überlastung – Verwaltungsgericht Wien fürchtet um seine Funktionsfähigkeit

Einen dringlichen Appell für mehr Personal richtete letzte Woche die Dienststellenversammlung des Verwaltungsgerichts Wien an die politischen Verantwortlichen in Verwaltung und Politik.

Der Grund: die in den letzten Jahren ohnehin schon hohe Belastung des Gerichtes ist im laufenden Jahr weiter gestiegen. Eine Belastung, die ohne zusätzliche Richterdienstposten und nichtrichterlichem Personal nicht zu bewältigen sein wird. Für diese Forderungen erhält das Gericht auch von der Gewerkschaft volle Unterstützung. Auch der Präsident und  die Vizepräsidentin des Verwaltungsgerichtes stimmten für die Resolution.

Für besonderen Unmut sorgt dabei die Tatsache, dass selbst die Nachbesetzung offener Planstellen vom Magistrat der Stadt Wien seit Monaten verzögert wird. Das Gericht selbst hat keine Möglichkeit, die Besetzungsverfahren zu beschleunigen.

Verschärfung der Situation droht

In seiner Resolution weist das Gericht auch auf eine drohende weitere Verschärfung der Belastungssituation hin.

So prüft in Wien der Magistrat der Stadt Wien derzeit eine Liste mit rund 18.500 mutmaßlich illegalen Doppelstaatsbürgerschaften von Personen türkischer Herkunft, in 4.000 Fällen wurde bereits ein Feststellungverfahren eingeleitet. Die zuständige Verwaltungbehörde wurde dazu mit 26 Neuaufnahmen für die „Schwerpunktgruppe Doppelstaatsbürgerschaft“ aufgestockt. Das Verwaltungsgricht Wien wurde nicht einmal informiert. Im Falle der Aberkennung der Staatsbürgerschaft sind aber aufwändige Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien zu erwarten.

Auch im Bereich der Mindestsicherung zeichnet sich durch eine Änderung der Vollzugspraxis der Behörde eine weitere Steigerung des Arbeitsanfalls ab. So wird beispielsweise seit Beginn des Jahres die Begutachtung von Personen, die wegen psychischer Krankheit als arbeitsunfähig eingestuft wurden, von der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) durchgeführt. Seitdem wurden nach den Zahlen der zuständigen Magistratsabteilung allein bis Ende September rund 1.500 als psychisch krank gemeldete Personen wieder als „arbeitsfähig“ eingestuft. Auch hier ist im Fall der Streichung der Mindestsicherung mit einem Neuanfall umfangreicher Verfahren mit Sachverständigenbeteiligung zu rechnen. Darüber hinaus ist eine erehblicher Anstieg der Gerichtsverfahren durch eine geänderte Vollzugspraxis auch im Bereich des Niederlassungsrechts ist zu beobachten. Weitere Belastungen werden durch polizeiliche Maßnahmen in Vollziehung des Fremdenrechtsänderungsgesetzes erwartet.

Während das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf den zu erwartenden Anstieg von Verfahren rechtzeitig personell aufgestockt wurde, ist das Land Wien als Rechtsträger nahezu untätig geblieben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verwaltungsgerichtes Wien sahen sich daher veranlasst, die Verantwortlichen darauf hinzuweisen, dass die Setzung geeigneter Maßnahmen dringend erforderlich ist, um die Funktionsfähigkeit des Verwaltungsgerichtes Wien im Sinne der Rechtsschutzsuchenden und des Wirtschaftsstandortes Wien zu erhalten.

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