Verwaltungsgerichtsbarkeit: Europarat bestätigt Notwendigkeit des Forderungsprogramms des Dachverbandes

Der Dachverband der Verwaltungsrichter (DVVR) hat sich in seinem Forderungsprogramm „Agenda 2022“ kritisch mit der aktuellen Situation der neuen Verwaltungsgerichte in Österreich auseinandergesetzt.

Basierend auf dieser Analyse wurde vom Dachverband eine Reihe von Forderungen ausgearbeitet, welche insbesondere auch Maßnahmen zur Stärkung der organisatorischen Unabhängigkeit der Verwaltungsgerichte betreffen.

Der Europarat – genauer gesagt das “Consultative Council of European Judges” (CCJE) – hat sich in seinem Jahresbericht 2017 zur richterlichen Unabhängigkeit in den Mitgliedsstaaten ebenfalls mit der Situation der neuen Verwaltungsgerichte  in Österreich ausführlich beschäftigt. Dieser Befund deckt sich weitgehend mit der Analyse des Dachverbandes.

Arbeitsbelastung ist größtes Problem

Der Bericht hält fest, es sei allgemein zu beobachten, dass sehr erfahrene Richter an ihre persönliche Unabhängigkeit höhere Anforderungen stellten als weniger erfahrene Richter. Dazu wird über das Ergebnis einer Umfrage des Netzwerkes der Obersten Justizräte (ENCJ) berichtet, an der sich insgesamt  11.712 Richter aus 26 Ländern beteiligt haben.

Die Frage, von wem unangemessener Druck („inappropriate pressure“) ausgeübt werde, wurde von 25 % der Richter mit „Gerichtspräsident bzw.  Justizverwaltung“ beantwortet,  24% nannten „Verfahrensparteien bzw. deren Anwälte“ und 16 % nannten die Medien.

Die Frage, wie die richterliche Unabhängigkeit im jeweiligen Land verbessert werden könnte, wurde bei dieser Umfrage sehr einheitlich beantwortet: An erster Stelle wurden besser Arbeitsbedingungen, insbesondere geringer Arbeitsbelastung genannt. Bessere Bezahlung lag an zweiter Stelle, an dritter Stelle lagen „Auswahl- und Karriereentscheidungen ausschließlich auf Grund persönlicher Eignung und Erfahrungen“.

Österreich: Richter- und Präsidentenauswahl nicht ausreichend transparent

Bei den Länderfeststellungen wird in Österreich die Auswahl der Verwaltungsrichter als zu wenig transparent erachtet, ebenso wird der fehlende Rechtsschutz übergangener Bewerber gerügt. Gerade diese Rechtsschutzmöglichkeiten seien für die Sicherstellung der organisatorischen Unabhängigkeit der Gerichte von besondere Bedeutung (Punkt 54 des Berichts).

Auch die Auswahl der Gerichtspräsidenten ohne Mitwirkung der Gerichte wird gerügt, da dieses Verfahren nach denselben Grundsätzen erfolgen sollten wie die Auswahl der Richter (Punkt 55 des Berichts). Die mangelnde Weisungsfreiheit der Präsidenten der Verwaltungsgerichte und die fehlende Budgethoheit der Gerichte widerspricht nach diesem Bericht ebenfalls den europäischen Standards (Punkt 113 bzw. 258 des Berichts).

Unter dem Kapitel „Richter und Medien“ findet schließlich auch die Medien-Kampagne gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Dritten Piste des Flughafens Wien Erwähnung und wird in dem Bericht die Verletzung europäischer Standards betreffend die Vermeidung unausgewogener Kritik („unbalanced critical commentaries“) an Gerichtsurteilen festgestellt (Punkt 304 des Berichts).

Siehe dazu auch:

Presserat – Kein Ethikverstoß bei Berichterstattung über das Bundesverwaltungsgericht

 

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