Knappe Ressourcen, zu viele Verfahren, zu wenige Richter. Dieses Problem hat auch die Schweiz.
Die Lösung: Sogenannte Strafbefehle, das bedeutet „abgekürzte“ Verfahren zur Verhängung nicht nur von Geldstrafen, sondern auch von Freiheitsstrafen. Herr des Verfahrens ist ausschließlich der Staatsanwalt, eine Anhörung des Beschuldigten findet nicht statt. Rund 90% der Strafverfahren sollen in der Schweiz bereits so erledigt werden.
Der Appellationsrichter und Berner Strafrechtsprofessor Jonas Weber warnt in einem Beitrag im Schweizer Fernsehen, dass die Schweizer Justiz ein Problem mit den Strafbefehlen hat: «Es ist eben relativ selten, dass gegen einen Strafbefehl Einsprache erhoben wird. Und es gibt einige empirische Studien die belegt haben, dass es unter den nicht angefochtenen Strafbefehlen viele Fehlurteile gibt.»
Fixe „Tarife“ für Strafzumessung
Die Arbeit der Staatsanwälte ist schwer zu kontrollieren. Das zeigte sich auch im Fall von Genf. Dort ist Olivier Jornot Generalstaatsanwalt. Eine Interviewanfrage des SRF lehnte er ab. Aber auf seiner Homepage nennt er als seine Bilanz, die Steigerung der Festnahmen um 30 Prozent und die Verschärfung der Strafen gegen Wiederholungstäter ohne Aufenthaltsbewilligung.
Den demokratischen Juristinnen und Juristen Genfs fiel auf, dass die Staatsanwaltschaft unter Jornot hart und sehr schematisch gegen Ausländer ohne Papiere vorging. Anwältin Camille Maulini sagt dazu, dass Sans-Papiers, die mehrmals ohne Papiere angetroffen würden, als Wiederholungstäter gelten und eingesperrt würden.
Die demokratischen Juristinnen zogen bis vor Bundesgericht, um die entsprechende Weisung des Generalstaatsanwaltes an die Staatsanwälte einsehen zu können. Und tatsächlich zeigte sich, dass die Weisung detaillierte, harte Tarife enthielt, die eine Verurteilung vorwegnahmen. Fixe Tarife aber seien illegal, sagt Anwältin Maulini. In einem Rechtsstaat müsse die Justiz die konkreten Umstände berücksichtigen.
Hier den Beitrag auf der Webseite des Schweizer Fernsehens lesen …
Siehe dazu auch:
Strafbefehle ohne Einvernahme – ein Plädoyer für Kommunikation mit Beschuldigten