Die richterlichen Interessensvertretungen hatten sich im April dieses Jahres aufgrund einer Reihe von Artikeln in der Tageszeitung „Kurier“ mit einer Beschwerde an den Österreichischen Presserat gewandt.
Neben der pauschalen Verunglimpfung des Bundesverwaltungsgerichts als „Schmalspurgericht“ und „Bundesversorgungsgericht“ wurde insbesondere gerügt, dass in der Berichterstattung über die Entscheidung des Gerichts zur „Dritten Piste“ des Flughafens Wien die beteiligten Richter namentlich bloßgestellt und öffentlich des Amtsmissbrauchs bezichtigt wurden.
Großzügiger Maßstab
Der Presserat stellte in einer Stellungnahme zu dieser Beschwerde fest, bei der Rolle der Medien als „public watchdog“ gelte ein großzügiger Maßstab, die Meinungsfreiheit reiche hier besonders weit. So sei die in den Artikeln geäußerte Kritik an der Erstellung der Besetzungsvorschläge aus medienethischer Sicht nicht zu beanstanden. Die Bezeichnung „Schmalspurgericht“ spiegle nur den Umstand wider, dass die für die Ernennung zum Verwaltungsrichter erforderlichen Qualifikationen von jenen der Justizrichter abweichen und diese in „hochrangigen Justizkreisen“ (?) als nicht gleichwertig angesehen würden.
Keine Stellungnahme eingeholt
Zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur dritten Flughafenpiste wird angemerkt, diese Entscheidung sei in der Öffentlichkeit breit, kritisch und kontrovers diskutiert worden, die Zulässigkeit einer inhaltlichen Kritik der Entscheidung stehe damit außer Frage. Nach Ansicht des Presserates wäre es zwar besser gewesen, dazu eine Stellungnahme der betroffenen Richter oder zumindest der Sprecherin des Bundesverwaltungsgerichts einzuholen, einen Ethikverstoß erkenne der Senat darin jedoch nicht. (Punkt 2.3. des „Ehrenkodex“ für die österreichische Presse bestimmt dazu: „Beschuldigungen dürfen nicht erhoben werden, ohne dass nachweislich wenigstens versucht worden ist, eine Stellungnahme der beschuldigten Person(en) oder Institution(en) einzuholen“).
Im Tenor der Stellungnahme wird die Auffassung vertreten, eine öffentliche Einrichtung wie das Bundesverwaltungsgericht müsse besonders viel Kritik aushalten, weil der Diskurs über derartige öffentliche Institutionen möglichst nicht eingeschränkt werden sollte.
Zum Kern der Vorwürfe, nämlich dem suggerierten Amtsmissbrauch durch die Mitglieder des Personalsenats bei der Bewerberauswahl bzw. der Richter des BVwG bei ihrer Entscheidung zur „Dritten Piste“, äußert sich der Presserat hingegen nicht.
Bundeskanzleramt hätte reagieren müssen
Wiederholt weist der Presserat in der Stellungnahme allerdings darauf hin, dass das Bundeskanzleramt als Dienstaufsichtsbehörde zwar eingeladen worden war, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, sich das BKA aber verschwiegen habe.
Tatsächlich stellen nach Auffassung der Standesvertretung einzelne Äußerungen im Zusammenhang mit der Entscheidung des BVwG zur „Dritten Piste“ direkte Angriffe auf die innere Organisation des Bundesverwaltungsgerichts und dessen struktureller Unabhängigkeit von der Politik dar. Nach den Empfehlungen des Europarates zur Unabhängigkeit der Richter (Recommendation CM/Rec(2010)12, III. 24) wäre das Bundeskanzleramt als verantwortliche Behörde in diesen Fällen daher verpflichtet gewesen, Maßnahmen zum Schutz der betroffenen Richterinnen und Richter zu treffen.