Zugang zur Behördeninformationen (2): Wie umgehen mit vertraulichen/geheimen Informationen?

Dimitrios Gratsias,  Richter am Gerichtshof der Europäischen Union (General Court) erläuterte in seinem Vortrag auf der Tagung am Bundesverwaltungsgericht, dass der General Court seit „9/11“ immer öfter mit Geheiminformationen beschäftigt ist, es aber dafür keine eigenen Verfahrensregeln gab, sodass das Gericht selbst  gezwungen war, seine Verfahrensregeln den neuen Anforderungen anzupassen.

Das Problem bestehe darin, mit dem Spannungsverhältnis zwischen Vertraulichkeit bzw. Geheimhaltung von Dokumenten und der Effektivität des Rechtsschutzes in rechtsstaatlicher Weise umzugehen.

Vor dem General Court  sind diese Fragestellung regelmäßig Thema in Verfahren, bei denen die EU-Kommission als Behörde beispielsweise Handelsembargos, Einreiseverbote oder Anordnung zum Einfrieren bestimmter Vermögenswerte trifft. Die Kommission stütze sich dabei auf Dokumente bzw. Informationen nationaler Geheimdienste und Sicherheitsbehörden und weigere sich häufig, diese offen zu legen.

Gratsias betonte in diesem Zusammenhang die Verpflichtung des Gerichtes selbst abzuwägen, ob die behauptete Vertraulichkeit von Informationen mit dem Grundsatz eines effektiven, wirksamen Rechtsschutzes vereinbar ist, da durch die behauptete Vertraulichkeit der Zugang der anderen Prozessparteien zu Informationen ausgeschlossen werde, was letztlich zur einer fundamentalen Einschränkung der Parteienrechte führen könne. (Siehe dazu: Urteil des EGMR vom 17.12.2013, Nikolova und Vandova gg. Bulgarien, betreffend die Entlassung eines Polizeibeamten)

 

Für den Gerichtshof kommt in diesem Verfahren vorrangig die EU- Verordnung 1049/2001 über den Zugang zu Informationen von EU-Institutionen zur Anwendung, welche jene Ausnahmen festlegt, die eine Geheimhaltung von Informationen rechtfertigen. In der Praxis sei es jedoch erforderlich, dem Gericht die Dokumente vorzulegen, damit dieses selbst beurteilen könne, ob deren Bewertung richtig ist. Sobald diese Dokumente aber vorgelegt würden, seien sie Teil des Gerichtsaktes, ohne dass das Gericht sie aber seiner Entscheidung zu Grunde legen dürfe. Daher werde die Behörde aufgefordert, eine Dokumentenversion vorzulegen, in welcher der Inhalt der Information allgemein und nicht konkret umschrieben wird.

 

„Klassifizierung“ von Richtern mit Unabhängigkeit unvereinbar

Die von einigen Staaten geübte Praxis, dass nur Anwälte als Parteienvertreter Geheimdokumente einsehen dürfen, bzw. dass die Behörde einen Vertrauensperson namhaft macht, welche in die Dokumenten einsehen und dem Gericht berichten darf, sei vom General Court abgelehnt worden, zumal es in vielen Mitgliedsstaaten nicht zulässig sei, dass ein Anwalt seinem Mandanten etwas verschweigen darf.

Auch der Vorschlag, dass Richter „klassifiziert“ werden, dh sie dürfen Geheimdokumente nur einsehen, wenn sie sich einer geheimdienstlichen Überprüfung unterziehen, sei vom General Court abgelehnt worden, da eine derartige Klassifizierung mit der Unabhängigkeit des Gerichtes unvereinbar ist. Tatsächlich aber ist die Klassifizierung von Richtern aber eine Praxis, wie sie insbesondere für Richter in den neuen Mitgliedsstaaten gehandhabt wird. Das zeigten die Diskussionsbeiträge.  Beim General Court wurde eine Klassifizierung aber insoweit durchgesetzt, als diese für juristische Mitarbeiter, die mit diesen Verfahren befasst sind, vorgesehen wird.

Gratsias verwies in diesem Zusammenhang ausführlich auf das Urteil des EuGH  (Europäische Kommission u. a. gegen Yassin Abdullah Kadi I und II) in welcher der Gerichtshof ausgesprochen hatte, dass sich seine umfassende Kontrolle nicht nur auf die Prüfung der Frage erstreckt, ob der angefochtene Rechtsakt begründet ist, sondern auch auf die Beweise und Angaben, auf denen die in diesem Rechtsakt enthaltenen Feststellungen beruhen.

 

 

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