Der VwGH fasst die wesentlichen Regeln zur Einbeziehung von Amtssachverständigen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in seinem Beschluss vom 20.06.2016 zusammen.
Das Verwaltungsgericht hat in seinem Verfahren gemäß § 17 VwGVG iVm §§ 52 und 53 AVG primär die ihm zur Verfügung stehenden Amtssachverständigen heranzuziehen, kann aber nach den Umständen auch nichtamtliche Sachverständige mit der Erstellung von Gutachten betrauen.
Zunächst ist festzuhalten, dass Amtssachverständige gemäß § 52 Abs. 1 AVG entweder der entscheidenden Verwaltungsbehörde beigegeben sind oder ihr zur Verfügung stehen. Die einer Behörde beigegebenen Sachverständigen sind organisatorisch in diese eingegliedert; die „zur Verfügung stehenden“ amtlichen Sachverständigen sind solche, die zwar einer anderen als der zur Entscheidung berufenen Behörde zugehören, von dieser Behörde aber herangezogen werden können (vgl. Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz², 2005, § 52, Rz 25 ff. mwN).
Amtssachverständige sind grundsätzlich gemäß Art. 20 Abs 1 B-VG in dienstlicher Hinsicht weisungsgebunden (vgl. VwGH 23.9.2004, 2002/07/0149; 17.6.1993, 92/06/0228). Allein darin kann aber kein Grund für eine Befangenheit oder den Anschein der Befangenheit gesehen werden (vgl. VwGH 22.11.2000, 98/12/0036; 23.6.1994, 93/06/0212). Gemäß stRsp sowohl des VwGH als auch des VfGH sind Amtssachverständige bei der Erstattung ihrer Gutachten ausschließlich der Wahrheit verpflichtet und hinsichtlich des Inhaltes ihrer Gutachten an keine Weisungen gebunden (vgl. VfSlg 16.567/2002; VwGH 21.12.2005, 2003/04/0184; 29.4.2011, 2010/09/0230), weil Gutachten den sie erstellenden (Amts-)Sachverständigen persönlich zurechenbar sind. Davon gehen auch die Straftatbestände der §§ 288 und 289 StGB aus (vgl. VwGH 26.5.2008, 2004/06/0039).
Aus der fachlichen Weisungsfreiheit des Amtssachverständigen bei Erstattung seines Gutachtens kann jedoch nicht gefolgert werden, dass das Verwaltungsgericht in jedem Fall Amtssachverständige heranziehen darf. Das Verwaltungsgericht muss vielmehr stets prüfen, ob ein Amtssachverständiger unbefangen, unter anderem also tatsächlich unabhängig von der Verwaltungsbehörde ist, deren Bescheid beim Verwaltungsgericht angefochten wird. Ob dies der Fall ist, hat das Verwaltungsgericht stets nach den Umständen des Einzelfalls mit der gebotenen Sorgfalt zu untersuchen und zu beurteilen (zu Fällen, in denen von einer dem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 EMRK widersprechenden (Anscheins-)Befangenheit ausgegangen wurde, vgl. EGMR 6.5.1985, Fall Bönisch, Appl. 8658/79, sowie VfSlg 11.131/1986, 16.827/2003 mwN; vgl. auch VwGH 23.9.2004, 2004/07/0075). Dies setzt auch voraus, dass das Verwaltungsgericht selbst die Auswahl des Amtssachverständigen vornimmt (und nicht etwa einer anderen Stelle überlässt) und dabei dessen Qualifikation und das Vorliegen etwaiger Befangenheitsgründe bzw. Gründe für den Anschein der Befangenheit dieses Amtssachverständigen prüft.
Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu verweisen, wonach insoweit keine Verletzung des Art. 6 EMRK zu erkennen ist, als dem Gutachten eines Amtssachverständigen im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) kein erhöhter Beweiswert zukommt und diesem unter anderem durch ein Gegengutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten werden kann (vgl. EKMR 30.6.1992, Fall Zumtobel, Appl. 12.235/86, Z87; vgl. auch VwGH 31.5.1999, 98/10/0008; 19.12.1996, 93/06/0229; in diesem Sinne auch Grabenwarter, Verfahrensgarantien in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1997, 649 f.).
Die gesetzlich vorgesehene Beiziehung von Amtssachverständigen verstößt auch nicht gegen den in Art. 94 Abs 1 B-VG normierten Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung, weil es sich beim Amtssachverständigen zwar um einen organisatorisch zur Staatsfunktion Verwaltung zählenden Organwalter handelt, der von einem Gericht beigezogen wird, dieser aber nur als Hilfsorgan des Verwaltungsgerichts an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitwirkt. Selbständige hoheitliche Befugnisse kommen einem Amtssachverständigen somit nicht zu; die Entscheidungsbefugnis obliegt allein dem Verwaltungsgericht (vgl. Pürgy, Die Mitwirkung von Sachverständigen im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, ÖJZ 2014, 391).“
Die Beiziehung des Sachverständigen ist angesichts der grundsätzlichen Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit von Gutachten und Ergänzungsgutachten zu einer ergänzenden Befragung zulässig (zur grundsätzlichen Zulässigkeit der ergänzenden Befragung eines im Behördenverfahren tätigen Amtssachverständigen durch das Verwaltungsgericht vgl. die bereits angeführten Erkenntnisse vom 17. Februar 2015, Ra 2014/09/0037, sowie vom 14. April 2016, Ra 2015/06/0037).