Ein fakultativer Widerrufsgrund berechtigt nicht immer zum Widerruf des Vergabeverfahrens.
Einem aktuellen Erkenntnis des LVG OÖ zu Folge darf ein Vergabeverfahren trotz Vorliegens eines fakultativen Widerrufsgrundes nicht widerrufen werden, wenn der Widerruf den Grundsätzen des lauteren Wettbewerbs gemäß § 19 Abs. 1 BVergG widerspricht.
Bei einem Bauauftrag im USB nach dem Billigstbieterprinzip lag die ASt von 5 Angeboten an zweiter Stelle. Das erstgereihte und die dritt- bis fünftgereihten Angebote wurden ausgeschieden. Dem Ausscheiden der dritt- bis fünftgereihten Angebote ging ein Ersuchen des AG um Aufklärung voraus, in welchem der AG diesen Bietern informativ das Ausscheiden weiterer Angebote mit anschließendem Widerruf des Vergabeverfahrens und Neuausschreibung in Aussicht stellte. Diese Bieter reagierten auf das Aufklärungsersuchen nicht, wurden aus diesem Grunde ausgeschieden und eine Widerrufsentscheidung erlassen, weil der fakultative Widerrufsgrund des Verbleibens von nur einem Bieter vorliege.
Das LVwG OÖ hat dazu festgehalten, dass eine solche Prüfung von nachgereihten Angeboten beim ausgeschriebenen Billigstbieterprinzip verwunderlich und nicht erforderlich sei. Auffällig sei in diesem Zusammenhang das In-Aussicht-Stellen des Ausscheidens von weiteren Angeboten mit anschließendem Widerruf und Neuausschreibung. Es liege daher auf der Hand, dass sämtliche drei aufgeforderten Bieter entsprechend dieser Aufforderung und Ankündigung der Konsequenzen keine Verbesserung oder Aufklärung durchführten. Es sei daher nicht von der Hand zu weisen, dass die nachträglich fortgesetzte Angebotsprüfung zum Zweck des Ausscheidens sämtlicher nachgereihter Bieter durchgeführt wurde, um in weiterer Folge das Vergabeverfahren zu widerrufen und durch die Neuausschreibung das gewünschte Angebot bzw einen reduzierten Angebotspreis zu erlangen.
Eine solche Vorgehensweise widerspricht aber offensichtlich den Grundsätzen des lauteren Wettbewerbs gemäß § 19 Abs. 1 BVergG. Das Ermessen des AG bei der Widerrufsentscheidung hat dort seine Grenzen, wo gegen Grundsätze des Vergabeverfahrens gemäß § 19 Abs. 1 BVergG verstoßen wird, also ein Widerruf willkürlich oder missbräuchlich erfolgt.