VfGH: Rechtspfleger dürfen Wohnbeihilfeverfahren führen

vfghlogoAuf Grund eines Antrages des Verwaltungsgerichtes Wien hatte der Verfassungsgerichtshof neuerlich zu prüfen, ob die eigenständige Führung und Erledigung von Beschwerdeverfahren durch Rechtspfleger zulässig ist. Diesmal betraf es Verfahren nach dem Wiener Wohnbeihilfegesetz.

In seiner Entscheidung G 256/2015 ua. vom 28.09.2015 stellt der Gerichtshof nunmehr fest, dass Beschwerden über die Gewährung von Wohnbeihilfe entgegen dem Vorbringen des antragstellenden Gerichts ihrem Wesen nach geeignet sind, von Rechtspflegern besorgt zu werden. Dies trifft dabei nicht nur auf die Möglichkeit einer Übertragung zur Besorgung bestimmter Verfahrensschritte und Erledigungsarten zu, sondern kann das Verfahren auch zur Gänze übertragen werden.


Ausschlaggebend für die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes war, dass die Verfahren zur Gewährung der Wohnbeihilfe in der Regel als standardisierte Massenverfahren durchgeführt werde, und es sich um ein insgesamt sachlich eng begrenztes Rechtsgebiet handelt, in welchem sich weitestgehend vorhersehbare und in ihrem Umfang überschaubare Sach- und Rechtsfragen stellen. Auch bei im Detail unterschiedlichen Regelungen laufen die Verfahren über die Gewährung von Wohnbeihilfe nach Auffassung des VfGH nach einem gleichbleibenden Schema.

Dass ausnahmsweise in einzelnen Verfahren komplexere Rechtsfragen – die insbesondere in Beschwerdeverfahren zu lösen sind – bzw. Abweichungen von den grundsätzlich standardisierten Verfahren auftreten können, ändert nichts daran, dass die Angelegenheiten ihrem Wesen nach geeignet sind, auf Rechtspfleger übertragen zu werden, zumal es im System des Art 135a B-VG liegt, dass Rechtspfleger erst im Rahmen der Kontrolle einer Entscheidung eingesetzt werden.

Abgesehen von der Möglichkeit, gegen die Entscheidung des Rechtspflegers mittels Vorstellung gemäß § 54 VwGVG vorzugehen, kann in derart gelagerten Beschwerdesachen der zuständige Richter – vor dem Hintergrund des Art 135a Abs 2 und 3 B-VG sowie der Bestimmungen des § 4 Abs 4 und 5 VGWG – durch Weisungen eingreifen oder sich die Erledigung der Sache vorbehalten bzw sie an sich ziehen; überdies ist der Rechtspfleger gemäß § 4 Abs 6 VGWG, wenn es die Schwierigkeit oder Wichtigkeit der Sache erfordert, zur Vorlage an den Richter verpflichtet.

Keine Verhandlungspflicht in Wohnbeihilfeverfahren ?

Zum Vorbringen des Verwaltungsgerichtes Wien, die Durchführung der mündlichen Verhandlung sei jedenfalls ungeeignet, von Rechtspflegern besorgt zu werden, führt der Gerichtshof aus, dass die für die Beurteilung der Wohnbeihilfe maßgeblichen Grundlagen vorrangig durch Urkunden nachzuweisen sind.

Anders als in Verwaltungsstrafverfahren, in welchen im Regelfall Beweise zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu erheben und entsprechend zu würdigen sind, stellen sich in Verfahren über die Gewährung von Wohnbeihilfe vorrangig Rechtsfragen in Bezug auf die maßgeblichen Berechnungsgrundlagen, deren Sachverhaltsgrundlagen in der Regel durch Urkunden bereits auf Grund der Aktenlage gelöst werden können, weshalb die Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch nicht zwingend geboten ist.

Weitere Verfahren anhängig

Beim Verfassungsgerichtshof sind derzeit noch weitere Gesetzesprüfungsverfahren betreffend die Übertragung von Zuständigkeit auf Rechtspfleger anhängig. Diese Verfahren betreffen u.a. die Übertragung von Zuständigkeiten im Bereich des Baurechts und des Gewerberechts auf Rechtspfleger.

Siehe auch:

VfGH: Die weitreichende Übertragung von Aufgaben an Rechtspfleger in Wien ist verfassungswidrig
VfGH Judikatur/ Verfahrensrecht: Keine Beschwerdemöglichkeit gegen Rechtspflegerentscheidungen

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