Mit Erkenntnis zu den Zl. G 233/2014, G 5/2015 vom 30.06.2015 hat der VfGH in § 106 StPO (neuerlich) die Worte „Kriminalpolizei oder“ aufgehoben, und damit die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte auch für solche Akte polizeilicher Befehls- und Zwangsgewalt ab Mitte 2016 wiederhergestellt, die in kriminalpolizeilicher Funktion nach der StPO vorgenommen worden sind, wenn bis dahin keine andere Lösung (iS einer klaren Zuständigkeitsregelung) getroffen wird. Er folgte damit einem Gesetzesprüfungsantrag des VwG Wien.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31.07.2016 in Kraft.
Die schon einmal aufgehobene (wegen Verstoßes gegen die Trennung von Justiz und Verwaltung, VfSlg 19.281/2010) Bestimmung (Zuständigkeitverteilung) war nach der Einführung der Verwaltungsgerichte iVm der dadurch geänderten Verfassungsrechtslage über Initiative des BMJ im Wesentlichen wieder beschlossen worden.
Bei der neuerlichen Gesetzesprüfung war maßgeblich, dass sich eine Unterscheidung zwischen kriminalpolizeilichen und sicherheitspolizeilichen Handlungen der Polizei vom Rechtsschutzsuchenden häufig nicht verlässlich treffen lässt; auch andere Überschneidungen (etwa mit kraftfahrrechtlichem Einschreiten der Polizei) kommen vor. Nach der durch die StPO-Reform geschaffenen Rechtslage richtet sich der Rechtsschutz gegen sicherheitspolizeiliche Maßnahmen nicht mehr danach, ob eine gerichtliche Ermächtigung ode staatsanwaltschaftliche Anordnung vorliegt oder nicht, sondern nach der Rechtsgrundlage, auf Grund derer die Sicherheitsberhörde bzw. die Organe der öffentlichen Sicherheit eingeschritten sind. In Ermangelung einer entsprechend klaren gesetzlichen Regelung ist die Erkennbarkeit der Rechtsgrundlage für den von der Amtshandlung Betroffenen oftmals (insbesondere im Bereich „doppelfunktionaler“ Ermittlungshandlungen) nicht sichergestellt.
Dadurch dass der Gesetzgeber die Behördenzuständigkeit zur Gewährung von Rechtsschutz gegen Akte behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt davon abhängig macht, auf welche Rechtsgrundlage der Akt gestützt wurde bzw. richtigerweise zu stützen wäre, stellt er den Rechtsschutzsuchenden angesichts der verfassungsrechtlich verpönten Unklarheit der Zuständigkeitsregelungen vor eine nahezu unlösbare – und auch mit der geforderten Effektivität des Rechtsschutzes unvereinbare – Aufgabe und müsste regelmäßig gleichzeitig beide Rechtsmittel (Einspruch nach § 106 StPO und Beschwerde an das Verwaltungsgericht) ergreifen, um nicht seines Rechtsschutzes verlustig zu werden. So wird der Rechtsschutzsuchende einseitig mit den Folgen der ihn betreffenden Entscheidung (einschließlich der Kostenfolgen) belastet wird.
Da die gerichtliche Zuständigkeit für diesen Rechtsbehelf (die sog. „Maßnahmenbeschwerde“) somit nicht oder jedenfalls nicht eindeutig von vornherein feststeht, ist die angefochtene Bestimmung wegen Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 83 Abs. 2 B-VG) verfassungswidrig.
Zum Unterschied von der letzten Aufhebung der Bestimmung im Dezember 2010 (VfSlg 19.281/2010), die sofort wirksam wurde, hat der VfGH diesmal dem Gesetzgeber eine Frist bis 31.7.2016 gesetzt.