VfGH: Die weitreichende Übertragung von Aufgaben an Rechtspfleger in Wien ist verfassungswidrig

vfghlogoEine entsprechende Bestimmung im Gesetz über das Verwaltungsgericht Wien wurde daher vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben.

Die Kompetenz der Rechtspfleger, Verfahren zu Verwaltungsstrafen bis zu 1500 Euro zu führen, bewirkt, dass sie gleichsam als Instanz über Schuld oder Unschuld zu befinden haben. Eine solche Übertragung einer richterlichen Tätigkeit an Rechtspfleger verstößt jedoch gegen die Verfassung. Es gilt eine Reparaturfrist bis Ende des Jahres.

Der schon in Art. 135 B-VG zum Ausdruck kommende Grundsatz, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit durch Richter ausgeübt wird, lässt sich  nicht dadurch substituieren, dass in von Rechtspflegern selbstständig zu führenden Verfahren einem Richter Aufsichts-, Eingriffs- und Weisungsbefugnisse eingeräumt werden.

Die Eignung einer Art von Geschäften ihrem Wesen nach zur Übertragung ihrer Besorgung an Rechtspfleger hängt maßgeblich davon ab, welche Verfahrensschritte und Erledigungsarten zur Besorgung übertragen werden bzw. ob die Übertragung – wie im vorliegenden Fall – die Besorgung von Verfahren zur Gänze betrifft.

Die – viele Fälle des Einsatzes von Rechtspflegern in der ordentlichen Gerichtsbarkeit kennzeichnende – Konstellation, dass Verfahrensgegenstand die Fällung einer Erstentscheidung ist, liegt bei der Tätigkeit von Rechtspflegern in der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz typischerweise (und im vorliegenden Fall zur Gänze) nicht vor. Vielmehr geht es vor dem Verwaltungsgericht der Sache nach um die Kontrolle von Entscheidungen der Verwaltung, also – wiederum verglichen mit der ordentlichen Gerichtsbarkeit – materiell gesehen um eine Tätigkeit, die für ein Instanzgericht charakteristisch ist. Der Rechtspfleger in der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz ist damit wie der Verwaltungsrichter typischerweise (und im vorliegenden Fall durchwegs) in Fällen zuständig, in denen ein Betroffener gegen eine Entscheidung der Verwaltung Rechtsschutz sucht

Nur bestimmte im Rahmen von Verfahren über Beschwerden gegen Straferkenntnisse zu besorgende Arten von Geschäften – zu welchen die Durchführung der mündlichen Verhandlung jedenfalls nicht zählt – sind einer Übertragung an Rechtspfleger zugänglich.

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