Auch Polizisten können im Zeugenstand lügen

oe1-orf-logoDie Wiener Polizei hat sich in den vergangenen Tagen stolz darüber gezeigt, dass im Vorjahr zwar 250 Polizisten angezeigt worden sind, aber kein einziger verurteilt wurde.

Nun aber liegen dem ORF-Radio Zahlen vom Verwaltungsgericht Wien vor.

Dieses Gericht entscheidet, ob die Polizei menschenrechtswidrig oder rechtswidrig agiert. Und das war im Vorjahr 17 Mal der Fall, drei Mal wurde Gewalt durch Wiener Polizisten vom Gericht nachgewiesen.

Der Richter Wolfgang Helm sagte, ein Afrikaner wurde misshandelt, einem Pressefotografen wurde die Kamera zerstört und ein Polizist habe eine Chinesin verletzt, die davon gelaufen war.

Lügen vor Gericht „möglich“

Der Polizist, der die Frau verletzt hatte, habe laut Helm dann gelogen: „Der Polizeibeamte hat im Zeugenstand gesagt, dass er sie sehr vorsichtig angefasst hat. Es hat sich dann durch einen Sachverständigen herausgestellt, dass mit starker Gewalt von hinten Druck auf den Brustkorb ausgeübt worden sein muss, anders könnten die Rippenbrüche nicht dieses Bild ergeben. Also hat mich der Beamte sicher angelogen.“

So etwas sei selten aber kein Einzelfall, so Helm im Ö1-Morgenjournal: „Dass jemand lügt wie gedruckt kommt eher selten vor, aber es kommt vor und das können dann auch Polizisten im Zeugenstand sein. Wenn man glaubt, dass man diese Möglichkeit von vornherein ausschließen kann, dann ist man als Richter sicher fehl am Platz.“

Es gebe auch einen Corpsgeist, nämlich, dass ein Polizist den anderen schützt: „Man merkt das oft, wenn mehrere Beamte etwas gesehen haben und einer in die Verlegenheit käme, einen Kollegen belasten zu müssen, dass die dann natürlich herumdrucksen, das ist auch menschlich verständlich.“ Aber das könne im Einzelfall dazu führen, dass Unschuldige von Polizisten belastet werden oder womöglich sogar verurteilt: „Das kann man nicht ausschließen“, so Helm.

Staatsanwalt muss Nachweis erbringen

Richter Wolfgang Helm betonte aber, dass es Verbesserungen gegeben hat und dass es zu weniger Polizeiübergriffe als in vergangenen Jahrzehnten kommt. Bei der Staatsanwaltschaft ortet er den Rest einer Tradition, Vorwürfen gegen die Polizei nicht allzu gründlich nachzugehen. Allerdings müsse die Staatsanwaltschaft einer bestimmten Person strafbares Verhalten nachweisen. Das Landesverwaltungsgericht muss nur belegen, dass die Polizei insgesamt rechtswidrig gehandelt hat.

Karl Mahrer, Vizepräsident der Wiener Polizei, hatte am Donnerstag in „Wien heute“ darauf verwiesen, dass nur wenige Misshandlungsvorwürfe gegen die Polizei zu Anklagen oder Verurteilungen führen. In den letzten Jahren habe es durchschnittlich 230 bis 260 Vorwürfe pro Jahr gegeben, sagte Mahrer – mehr dazu in Video: „Kein Hinweis auf Misshandlung“.

Auslöser für die Diskussionen waren Vorwürfe einer 47-jährigen Unternehmerin. Polizisten sollen sie in der Silvesternacht in der Innenstadt schwer verletzt haben, Anzeige wurde aber gegen die Unternehmerin erstattet. Sie unterstrich ihre Vorwürfe durch ein Video, die Staatsanwaltschaft nannte die Anklage gegen die Unternehmerin „vorschnell“ .

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