OGH: Auftrag zur Namhaftmachung eines inländischen Zustellbevollmächtigten an Parteien in EU-Mitgliedstaaten ist unionsrechtswidrig

OGHGemäß § 10 des Zustellgesetzes kann Parteien und Beteiligten, die über keine inländische Abgabestelle verfügen, von der Behörde aufgetragen werden, einen (inländischen) Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen.

Kommt die Partei bzw. der Beteiligte diesem Auftrag nicht fristgerecht nach, kann die Zustellung ohne Zustellnachweis durch Übersendung der Dokumente an eine der Behörde bekannte Zustelladresse erfolgen.

Bisher hatte der Oberste Gerichtshof die Ausfassung vertreten, dass § 10 des Zustellgesetzes nicht gegen EU-Recht verstößt (OGH 28.07.2004 7 Ob 135/04k). In seiner Entscheidung vom 27.11.2013, 2 Ob 156/13z, kommt der Gerichtshof nunmehr zu dem Schluss, dass der Auftrag zur Namhaftmachung eines inländischen Zustellbevollmächtigten an Parteien in einem EU-Mitgliedstaaten unionsrechtswidrig ist.

Nach Art 19 Abs 2 AEUV schaffen die Mitgliedsstaaten die erforderlichen Rechtsbehelfe, damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet ist. Nach Art 47 GRC hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Die nationalen Behörden haben also betreffend das Unionsrecht „effektiven Rechtsschutz“ zu gewährleisten. Schon die bloße gerichtliche Aufforderung, einen in Österreich wohnhaften Zustellbevollmächtigten namhaft zu machen, die durch die Zustellfiktion des § 98 ZPO einen „sanften Druck“ darstellen kann, der Angehörige anderer MS viel häufiger träfe als österreichische Staatsangehörige, ist unionsrechtswidrig.

 

 

 

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