Rechtsanwälte luden Gerichtspräsidenten zum (IN)TALK

Dieter Kolonovits, Gerhart Holzinger, Hermann Hansmann und Stefan Prochaska
Dieter Kolonovits, Gerhart Holzinger, Hermann Hansmann und Stefan Prochaska

In der Verwaltung wird kein Stein auf dem anderen bleiben

Dr. Gerhart Holzinger, Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Dr. Dieter Kolonovits, Präsident des Verwaltungsgerichtes Wien und Mag. Hermann Hansmann, Partner des Veranstalters PHH Rechtsanwälte, diskutierten bei einer Veranstaltung letzte Woche in Wien die neuen Herausforderungen durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle.

Die Diskussionsteilnehmer waren sich einig, dass in der österreichischen Verwaltung kein Stein auf dem anderen bleiben wird und die Vielzahl der Änderungen noch gar nicht abschließend überblickt werden kann.

„Die neue österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit ist die wichtigste Weiterentwicklung des Rechtsstaates seit der Einführung der österreichischen Verwaltungsgerichtsbarkeit 1876. Im Sinne der Waffengleichheit sollen sich Bürger und Behörde vor dem Verwaltungsgericht gleichberechtigt gegenüberstehen, leider ist dieses Prinzip noch nicht lückenlos verwirklicht“, erläutert RA Mag. Hermann Hansmann. Zu bedenken sei jedoch, dass die angestrebte Unabhängigkeit der Verwaltungsgerichte im Detail noch nicht ausreichend umgesetzt worden sei.

Prüfungsumfang der Verwaltungsgerichte

Eine Reihe von Wortmeldungen widmete sich dem Prüfungsumfang der Verwaltungsgerichte auf Grundlage der Anfechtungserklärung. Hier wurde von beiden Präsidenten auf den Unterschied zwischen Gesetzestext und die im Ausschuss eingefügte Erläuterung – es solle sich gegenüber der bisherigen Vorgangsweise nichts ändern – verwiesen. Holzinger erklärte, durch die Einführung der Verwaltungsgerichte sollte es zu keiner Verschlechterung des Rechtschutzes kommen.

Stellung der Amtssachverständigen

In der Diskussion kam auch die zukünftige Stellung der Amtssachverständigen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Sprache. Präsident Holzinger verwies auf die bisherige Rechtsprechung, wollte sich aber im Hinblick auf die beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahren nicht konkret dazu äußern. Seitens der Anwaltschaft war zu diesem Thema große Skepsis gegenüber den Amtssachverständigen unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit zu erkennen.

Situation am Verwaltungsgericht Wien

Auch die Situation am Verwaltungsgericht Wien kam in der Veranstaltung zur Sprache. Präsident Holzinger verwies auf die Entscheidung des VfGH über die Anfechtung des Wiener Organisationsgesetzes. Er stellte fest, dass die konkreten Arbeitsgebiete, die ihrem Wesen nach nicht für Rechtspfleger geeignet sind, nicht Gegenstand der Anfechtung waren. Er verwies auch darauf, dass sich durch die Möglichkeit einer Vorstellung das System der Rechtspfleger als wenig effizient erweisen könnte, zumal jede Entscheidung durch Vorstellung anfechtbar ist.

Präsident Kolonovits führte dazu aus, das Land Wien sei bei der personellen Ausstattung davon ausgegangen, dass von den erwarteten 22.000 Verfahren rund 5.000 Verfahren durch Rechtspfleger erledigt werden könnten. Im Hinblick auf die Ausführungen von Präsident Holzinger müsse man aber von einer nicht unbedeutenden Anzahl von Vorstellungen ausgehen, welche von den derzeit 80 Richtern zusätzlich zu deren eigenen Verfahren entschieden werden müssten. Er gehe in diesem Zusammenhang von einer zumutbaren jährlichen Arbeitsbelastung von maximal 180 bis 200 Verfahren pro Richter aus. Kolonovits verwies dazu auf die Erledigungszahlen des Landesgerichts für Zivilrechtssachen in Wien mit durchschnittlich 212 Erledigungen pro Jahr, davon rund 50 % Vergleiche.

Es werde jedenfalls vom Verwaltungsgericht eine Evaluierung durchgeführt werden müssen. Zur Unterstützung der Richter sollten laut Präsident Kolonovits künftig wissenschaftliche Mitarbeiter eingesetzt werden, da sich diese Maßnahme auch beim Asylgerichtshof bewährt hätte.

Teilen mit: