Bereits die Organisationsgesetze der Unabhängigen Verwaltungssenate sahen vor, dass die Vollversammlungen durch die Erlassung einer Geschäftsordnung Rechte und Pflichten der UVS-Richter regeln und Teile des Dienstbetriebes mitgestalten. Damit gerieten die UVS – ebenso wie mit der Geschäftsverteilung – in Widerspruch zu jenen Beharrungskräften in den Ämtern der Landesregierung, welchen eine gerichtsförmige Ausgestaltung der UVS ein Dorn im Auge war.
Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits –Novelle 2012 erfolgte nun die Angleichung der Rechtsstellung der Vollversammlungen der Verwaltungsgerichte an jene der Vollversammlung des Verwaltungsgerichtshofes. Nur den Vollversammlungen – oder einem aus ihrer Mitte gewähltem Ausschuss – obliegt die Erlassung der Geschäftsverteilung (Art 135 Abs. 2 B-VG), ebenso obliegt die Erlassung der Geschäftsordnung nunmehr ausdrücklich den Vollversammlungen (Art 136 Abs.5 B-VG).
Geschäftsordnung als Akt der Gerichtsbarkeit
Wesentlich erscheint in diesem Zusammenhang, dass sich mit der B-VG-Novelle zur Einrichtung der Verwaltungsgerichte auch die Rechtsnatur von Geschäftsordnung und Geschäftsverteilung geändert hat: Sie sind nicht mehr Verordnungen der „Behörde“ UVS, sondern Akte der Rechtsprechung bzw. der Gerichtsbarkeit und unterliegen als solche nicht mehr der nachprüfenden Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes.
Zum Inhalt der Geschäftsordnung äußert sich der Verfassungsgesetzgeber nur insoferne, als er darauf hinweist, dass die Geschäftsordnung auf Grund der „in den vorstehenden Absätzen erlassenen Gesetze“ zu erlassen ist. Gemeint sind damit die Gerichtsorganisationgesetze von Bund und Ländern sowie die Verfahrensgesetze. Damit ergibt sich – je nachdem, welche Bestimmungen das Organisationsgesetz enthält – ein Spannungsfeld zwischen den Leitungsaufgaben des Präsidenten, welche dieser als monokratisches Justizverwaltungsorgan wahrzunehmen hat und den Aufgaben der Vollversammlungen als kollegiales Justizverwaltungsorgan.
Starke Präsidenten im Vordergrund ?
Betrachtet man nun die Organisationsgesetze der Länder, erkennt man, dass die Gesetzgeber weniger das klaglose Funktionieren eines unabhängigen Gerichtes im Auge hatten als die Vorstellung eines „starken“ Präsidenten, dem man alle möglichen Leitungsinstrumente in die Hand geben müsse, um sich gegen die Vollversammlung „durchsetzen“ zu können. Die meisten Organisationsgesetz enthalten eine Bestimmung, die es der Vollversammlung ausdrücklich untersagt, dienstrechtliche Bestimmungen zu erlassen, das Wiener Gesetz geht sogar so weit, derartige Bestimmungen in der Geschäftsordnung für den Präsidenten als „ nicht bindend“ (?) zu erklären. Überlegungen, ob diese Rechtsstellung des Präsidenten auch mit der Unabhängigkeit der neuen Gerichte vereinbar ist, blieben dabei offenkundig ausgespart.
Konsens als effizientes Organisationsprinzip
Diese Herangehensweise verkennt allerdings, dass nur der gerichtsinterne Konsens über die innere Organisation des Gerichtes wie die Arbeitsabläufe, den Einsatz von Ressourcen, die Verteilung der Geschäfte etc. ein effizientes Arbeiten ermöglicht. Die Einbindung der Vollversammlung bietet hier die Garantie für größtmögliche Akzeptanz. Erst wenn das Gericht von allen Richtern als „ihr“ Gericht empfunden wird, ermöglicht dies die rasche und ökonomische Verfahrensführung und werden die Richter darüber hinaus auch noch bereit sein, den Präsidenten durch die Übernahme von Aufgaben der Justizverwaltung zu unterstützen.
Die Durchsetzung von Organisationsprinzipien und Arbeitsabläufen ohne Einbeziehung der Vollversammlung könnte nur im Wege der monokratischen Leitung durch den – in diesen Bereichen weisungsgebundenen – Präsidenten erfolgen. Entscheidungen des Präsidenten im Bereich der Justizverwaltungen unterliegen aber – so wie alle anderen dienstrechtlichen Entscheidungen auch – der nachprüfenden Kontrolle des hauseigenen Dienstrechtssenates. Damit würden aber bestehende Auffassungsunterschiede zwischen Richter und Präsident nicht in der Vollversammlung gelöst, sondern in ein gerichtliches Beschwerdeverfahren verlagert, was zu erheblichen Reibungsverlusten führen muss.