Verwaltungsstrafrechtliche Sanktionen gegen alkoholisierte Lenker und Verkehrsrowdies

von  Gero Schmied

Unabhängiger Verwaltungssenat Wien

Eine kritische Analyse aus der Sicht der Berufungsinstanz

(schriftliche Fassung des am Verkehrsrechtstag 2009 gehaltenen Vortrages)

Spektakuläre Verkehrsunfälle mit verheerenden Folgen sowie die jüngst erfolgte Anhebung der Geldstrafen für Alkoholdelikte im Straßenverkehr durch die am 1.9.2009 in Kraft getretene Novelle der Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO[1] rückte verwaltungsstrafrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit der Verfolgung von Alkolenkern und Verkehrsrowdies wieder in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses. Mit dem folgenden Beitrag wird der Versuch unternommen, in Ansehung der Spruchpraxis an den Unabhängigen Verwaltungssenaten die Effektivität und Praxistauglichkeit verwaltungsstrafrechtlicher Sanktionen zu überprüfen und bestehende Regelungs- bzw. Vollzugsdefizite aufzuzeigen.

1. Alkoholdelikte im Straßenverkehr

1. Art und Zahl der Berufungsverfahren am Unabhängigen Verwaltungssenat Wien

Die Zahl der Berufungen gegen Verwaltungsstrafen, die Alkoholdelikte im Straßenverkehr betreffen, ist im Land Wien seit dem Jahr 2000 leicht rückläufig. Fielen am UVS Wien im Jahr 2002 noch 112 Berufungsverfahren wegen Übertretung des § 5 StVO[2] an, so waren es 2007 nur mehr 88, im Jahr 2008 sank die Zahl auf 78 Berufungsverfahren. Zusammenhängen könnte dies mit den – wie im Folgenden gezeigt wird – vergleichsweise geringen Erfolgsaussichten von Berufungen gegen Strafen, die wegen Übertretungen des § 5 StVO ausgesprochen werden.

Bei den Berufungen gegen Strafen, denen eine Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO (Lenken eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand) zu Grunde liegt, fällt auf, dass die gemessene Alkoholisierung oft deutlich über dem gesetzlichen Limit von 0,8 Promille liegt, die Unabhängigen Verwaltungssenate im Berufungsverfahren also vorwiegend mit gravierenden Gesetzesübertretungen konfrontiert werden[3]. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Berufungen gegen die Bestrafung wegen Verweigerung des Alkomattests (§ 5 Abs. 2 StVO)[4]. Dies lässt sich daraus erklären, dass im Fall der Verweigerung des Alkomattests der Gesetzgeber die Verhängung von Sanktionen vorgesehen hat, die hinsichtlich ihrer Schwere jenen gleichen, die für das Lenken bzw. Inbetriebnehmen eines Fahrzeuges in besonders stark durch Alkohol beeinträchtigten Zustand vorgesehen sind.

So begeht eine Verwaltungsübertretung und ist gemäß § 99 Abs. 1 StVO mit einer Geldstrafe von 1600 Euro bis 5900 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen,

a) wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,8 mg/l oder mehr beträgt,

b) wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht,

c) (Verfassungsbestimmung) wer sich bei Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, sich Blut abnehmen zu lassen.

Für eine Alkoholisierung im Bereich von 1,2 bis 1,6 Promille reicht dagegen der Rahmen für Geldstrafen von1200 Euro bis 4400 Euro, bei 0,8 bis 1,2 Promille von 800 Euro bis 3700 Euro.

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass auch bei einer Alkoholisierung von weniger als 0,8 Promille Alkoholgehalt im Blut (=0,4 mg/l Alkoholgehalt in der Atemluft) eine innerhalb des letztgenannten Strafrahmens zu ahndende Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO vorliegen kann[5], doch kommen derartige Fälle so selten vor, dass im Folgenden darauf nicht weiter eingegangen wird. In der Praxis münden diese Sachverhalte, sofern der Alkoholisierungsgrad zwischen 0,5 und 0,8 Promille liegt, in Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung des § 14 Abs. 8 Führerscheingesetz.

1. Häufige Vorbringen und Erfolgsaussichten

Anhand der folgenden Fallbeispiele soll ein kurzer Überblick über häufige Vorbringen in Berufungen und deren Erfolgsaussichten gegeben werden.

a) § 5 Abs. 1 STVO

Im Verfahren zu UVS-03/46/2059/1998 wurde die Funktionsfähigkeit des Alkomaten in Abrede gestellt. Es konnte als erwiesen festgestellt werden, dass der Berufungswerber beim Alkomattest gegenüber den Polizeibeamten angegeben hatte, keinen Alkohol konsumiert, jedoch Antibiotika unbekannter Art gegen Fieber und Grippe eingenommen zu haben, woraufhin der Alkomattest durchgeführt wurde. Vor den beiden gültigen und verwertbaren Versuchen, die eine Alkoholisierung im Ausmaß von 0,70 mg/l Alkoholgehalt in der Atemluft (=1,4 Promille) ergeben hatten, waren zwei gültige, jedoch aufgrund der zu großen Differenz zwischen den beiden Messergebnissen nicht verwertbare Versuche durchgeführt worden. Dem Berufungsvorbringen, diese Umstände ließen auf einen Gerätedefekt schließen, war kein Erfolg beschieden, zumal im Berufungsverfahren hervorkam, dass im Zeitraum vor und nach dem gegenständlich durchgeführten Alkomattest es mit dem betreffenden Alkomaten weder zu Fehlmessungen noch zu weiteren nicht verwertbaren Messungen gekommen war, der Alkomat einwandfrei geeicht und gewartet worden war, und ein für den Bereich Atemalkoholmessung gerichtlich beeideter Sachverständiger in der Verhandlung schlüssig darlegte, dass ein Gerätefehler mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne. Die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit einer freiwilligen Blutuntersuchung gemäß § 5 Abs. 8 StVO, die (einzig) geeignet gewesen wäre, das Ergebnis des Alkomattests zu widerlegen, hatte der Berufungswerber ungenutzt gelassen.

Im Verfahren zu GZ UVS-03/V/46/8527/2000 wurde vorgebracht, der Berufungswerber habe durch Wassertrinken unmittelbar vor dem Alkomattest selbigen verfälscht. Obwohl die Gebrauchsanleitung des damals zum Einsatz gebrachten Alkomaten die Zufuhr von Nahrung oder Flüssigkeit binnen 15 Minuten vor dem Test untersagt, war dem Berufungsvorbringen kein Erfolg beschieden, zumal der in der Verhandlung beigezogene Sachverständige schlüssig darlegen konnte, dass der Konsum eines Glases Wassers unmittelbar vor dem Test das Ergebnis nicht zu Ungunsten des Berufungswerbers hatte beeinflussen können.

Den Verfahren zu den GZ UVS-03/P/46/2989/2005 und 03/P/46/5345/2005 lag jeweils eine Atemluftalkoholmessung nach einem Verkehrsunfall zu Grunde, die zwar zum Zeitpunkt der Messung ein Ergebnis von weniger als 0,8 Promille, rückgerechnet auf den Zeitpunkt des Verkehrsunfalls jedoch eine darüberliegende Alkoholisierung ergab. Von den Berufungswerbern wurde jeweils eingewendet, sie wären zum Zeitpunkt des Unfalls (noch) nicht alkoholisiert gewesen und sei das Messergebnis ausschließlich auf Alkoholkonsum nach dem Unfall zurückzuführen (Einrede des Nachtrunks). Da sich der Unabhängige Verwaltungssenat bei den Angaben über die Menge des Nachtrunks an den ursprünglich beim Alkomattest getätigten Aussagen orientierte und den später Angaben der Beschuldigten im Beweisverfahren keinen Glauben schenkte, blieb auch diesen Berufungen der Erfolg versagt.

b) § 5 Abs. 2 StVO

Eine Fahrzeuglenkerin, die nach einem Schönheitswettbewerb mit anschließender Feier in einer Einbahn entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung unterwegs war und beinahe einen Verkehrsunfall verursacht hatte, wurde von den einschreitenden Polizeibeamten aufgefordert, einen Alkomattets durchzuführen. Dieser Aufforderung kam die Berufungswerberin nicht nach, sondern erklärte, den Test erst absolvieren zu wollen, nachdem sie mit ihrem Mann telefoniert hätte. Indem die Berufungswerberin die Durchführung des Alkomattests von einer Bedingung abhängig gemacht und sich selbst nach entsprechender Belehrung durch die Beamten geweigert hatte, den Test aufforderungsgemäß durchzuführen, wurde dies rechtsrichtig als Verweigerung gewertet und war die Berufung abzuweisen (UVS -03/P/9/396/2000).

Nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden entfernte sich eine unfallbeteiligte Fahrzeuglenkerin, unmittelbar nachdem die Polizei am Unfallort eingetroffen war. Eine Stunde später wurde die Dame in ihrer Wohnung aufgesucht und von den Polizeibeamten gemäß § 5 Abs. 4 StVO aufgefordert, sich in das nächstgelegene Wachzimmer zum Zweck der Durchführung eines Alkomattets zu begeben, zumal die Beamten bei der Dame Alkoholgeruch wahrnehmen konnten. Die Dame weigerte sich und bestand auf einem „Röhrchentest“ vor Ort. Da die einschreitenden Beamten aufgrund der Unfallbeteiligung der Berufungswerberin und des eine Stunde später in ihrer Wohnung festgestellten Alkoholgeruchs vermuten konnten, dass sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befand, waren sie berechtigt, die Berufungswerberin zum Alkomattest in der nächstgelegenen Dienststelle aufzufordern und durfte die Berufungswerberin nicht auf einem Alkomattest vor Ort, schon gar nicht auf einem „Röhrchentest bestehen. Der Berufung war daher kein Erfolg beschieden (UVS-03/P/46/4130/2002).

Ein Geisterfahrer, der nach einem Verkehrsunfall, bei welchem er selbst verletzt worden war, zum Alkomattest aufgefordert wurde und diesen verweigerte, brachte in der gegen seine Bestrafung erhobenen Berufung vor, er habe bei dem Unfall eine Gehirnerschütterung erlitten und sei deshalb zum Aufforderungszeitpunkt nicht zurechnungsfähig gewesen. Belegt hat dies der Berufungswerber mit einem Attest seines Hausarztes. In der Berufungsverhandlung wurde im Zuge der zeugenschaftlichen Befragung des Hausarztes festgestellt, dass selbiger die vom Berufungswerber behauptete Gehirnerschütterung erst einen Tag nach dem Unfall, und dies nur aufgrund der vom Berufungswerbers geschilderten Symptome, nicht aber aufgrund eigener Wahrnehmungen oder Untersuchungen attestiert hatte. Aufgrund der Zeugenaussagen der Polizeibeamten und des Gutachtens des medizinischen Sachverständigen konnte schließlich eine Gehirnerschütterung ausgeschlossen und die Zurechnungsfähigkeit des Berufungswerbers als gegeben angesehen werden. Auch diese Berufung war somit abzuweisen (UVS 03/P/46/8540/2000).

Im Verfahren zu GZ UVS 03/P/46/664/2001 stellte der Unabhängige Verwaltungssenat Wien nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung fest, dass der Berufungswerber sich zwar zunächst bereit erklärt hatte, den Alkomattest durchzuführen, dann jedoch trotz ordnungsgemäßer Anleitung durch die Polizeibeamten kein verwertbares Messergebnis erzielte, da er bei den Blasversuchen den Großteil des Blasvolumens neben das Mundstück gesetzt und sich in der Folge geweigert hatte, weitere Versuche zu unternehmen. In der Berufung wurde ein Gerätedefekt eingewendet. Da der Alkomat jedoch ordnungsgemäß gewartet und geeicht worden war und kein konkreter Hinweis auf einen Gerätedefekt vorlag, wurde die volle Funktionstauglichkeit des betreffenden Alkomaten als erwiesen festgestellt. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur zu § 5 Abs. 2 StVO ausgesprochen hat[6], ist der zum Alkomattest aufgeforderte Lenker so lange verpflichtet, sich der Atemalkoholuntersuchung zu unterziehen, als noch kein gültiges Messergebnis zustande gekommen ist oder nicht mit Sicherheit feststeht, dass mit dem verwendeten Gerät kein verlässliches Messergebnis erzielt werden kann. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass einem geschulten Organ der Straßenaufsicht die einwandfreie Beurteilung der Frage, wieso bei der Atemalkoholuntersuchung kein brauchbares Ergebnis zustande gekommen ist, zugemutet werden darf[7]. Die Berufung war daher abzuweisen.

Erfolgreich war dagegen der Einwand des Berufungswerbers im Verfahren zu GZ UVS 03/P/46/3382/2000, aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen zu sein, beim Alkomattest ein gültiges Messergebnis zu erzielen. Der Berufungswerber konnte nämlich eine bereits zum Aufforderungszeitpunkt bestehende Erkrankung nachweisen, die ihn außer Stande setzte, einen Alkomattest ordnungsgemäß zu absolvieren. Obwohl im Verfahren hervorgekommen ist, dass der Berufungswerber diese Erkrankung vor Ort gegenüber den Beamten verschwiegen hatte, weswegen die Beamten mit ihm 11 Blasversuche durchführten, die allesamt kein gültiges Ergebnis erbrachten, war der Berufung Erfolg beschieden. Der Proband ist nämlich nicht verpflichtet, die Beamten, die mit ihm einen Alkomattest durchführen, auf seine Erkrankung bzw. körperliche Beeinträchtigung hinzuweisen, weil eine derartige Verpflichtung aus dem Gesetz nicht abgeleitet werden kann.[8]

c) § 14 Abs. 8 FSG

Abschließend sei noch das Berufungsverfahren zu GZ UVS-03/P/46/1782/2003 erwähnt, dem der Tatvorwurf zu Grunde lag, nach einer Weinverkostung ein Kraftfahrzeug gelenkt zu haben, obwohl der Atemluftalkoholgehalt einen Wert von 0,27 mg/l (= 0,54 Promille) aufwies. In diesem Verfahren wurde von der angeblich fehlenden Eichung des Alkomaten über die Einnahme von Medikamenten, starken Nikotinkonsum, einen Gerätedefekt, einen Sturztrunk und eine angeblich falsche Rückrechnung des Atemluftalkoholgehalts vom Messzeitpunkt auf den Tatzeitpunkt durch den Amtssachverständigen nahezu alles an Behauptungen ins Treffen geführt, was an Einwendungen gegen einen Alkomattest nur denkbar erscheint. Da sich all diese Vorbringen im Berufungsverfahren letztlich als unwahr bzw. als unglaubwürdig herausgestellt hatten und der Berufungswerber den einzigen gesetzlich vorgesehen Gegenbeweis zur ordnungsgemäß durchgeführten Atemalkoholmessung, nämlich eine Blutabnahme zum Zweck der Bestimmung des Blutalkoholgehalts gemäß § 5 Abs. 8 Z 2 StVO nicht erbracht hatte, blieb auch dieser Berufung der Erfolg versagt.

3. Effizienz der Verfahren und der Strafen

Die oben angeführten Beispiele für Berufungsvorbringen und deren Erfolgsaussichten ließen sich noch beliebig fortsetzen, doch zeigt bereits der gebotene kurze Überblick, dass die gebräuchlichsten und häufigsten Strategien, die von Beschuldigten eingeschlagen werden, um einer drohenden Bestrafung zu entgehen, der gerichtsförmigen Überprüfung im Rahmen einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat meist nicht standhalten.

Zusammenfassend lässt sich somit aus der Sicht der Berufungsinstanz festhalten, dass im Bereich der in der StVO und im FSG normierten Alkoholdelikte das gesetzliche Netz sehr eng geknüpft ist und auch die Verwaltungspraxis, die Rechtsprechung der UVS sowie die höchstgerichtliche Judikatur wenig Spielräume oder Schlupflöcher offen lassen, die es einem Straftäter ermöglichen, durch Schutzbehauptungen der drohenden Verwaltungsstrafe zu entgehen.

Zur Wirkung der Verwaltungsstrafen ist zu bemerken, dass diese stark nach Bevölkerungs- und Einkommensgruppen differiert. Am wenigsten Wirkung zeigen die Verwaltungsstrafen bei Personen, die entweder nie über einen gültigen Führerschein verfügt haben und /oder die Hoffnung, einen solchen (wieder)zuerlangen, bereits aufgegeben haben. Diese Personen treten mit Berufungen meist erst dann in Erscheinung, wenn eine Primärarreststrafe nach § 100 Abs. 1 StVO verhängt wird. Ihr Vormerkungsauszug weist nicht selten mehr als 10 Vormerkrungen wegen Alkohol- und Führerscheindelikten auf. Vor allem für diese Personengruppe könnte die Statuierung eines gerichtlich strafbaren Tatbestandes ab einer markanten Rückfallshäufigkeit angedacht werden.[9]

1. Verkehrsrowdies

Ist der Effizienz des verwaltungsstrafrechtlichen Instrumentariums bei der Bekämpfung von Alkoholdelikten im Straßenverkehr aus der Sicht der Berufungsbehörde noch ein gutes Zeugnis auszustellen, so zeigt sich bei den Verkehrsrowdies ein ganz anderes Bild. Hier ist es bislang in der Praxis nicht gelungen, notorische Wiederholungstäter und auffallend rücksichtslose Fahrzeuglenker aus der Vielzahl der Straftäter herauszufiltern und mit härteren verwaltungsstrafrechtlichen Sanktionen zu belegen als den Durchschnittsdelinquenten.

1. Notorische Wiederholungstäter

Für die in der Praxis besonders oft zur Anzeige gebrachten Übertretungen der StVO, wie etwa für Geschwindigkeitsüberschreitungen, das Missachten des Rotlichts einer Verkehrsampel, Vorrangverletzungen oder das Missachten eines Überholverbots sah die StVO noch bis vor kurzem einen einheitlichen Strafsatz vor, der bis zu 726 Euro reichte[10].

Obwohl auch dieser Strafsatz an sich die Möglichkeit geboten hätte, notorische Wiederholungstäter wesentlich härter zu bestrafen als den Durchschnittsdelinquenten, ist dies in der Praxis – zumindest aus dem Blickwinkel der Berufungsbehörde – nur in seltenen Ausnahmefällen geschehen.

In der erstinstanzlichen Verwaltungspraxis wird nämlich bei den genannten Delikten zunächst eine Anonymverfügung bzw. Strafverfügung ausgestellt. Im Fall der Anonymverfügung kommt es erst gar nicht zur Vormerkung eines bestimmten Täters, der Ausstellung von Strafverfügungen wiederum geht in der Regel keine Vormerkungsanfrage voran.[11] Es wird daher bei der Strafbemessung lediglich auf die Tatumstände, bspw. auf das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung, nicht jedoch auf den Täter abgestellt. In der Strafverfügung wird daher bei gleichwertigem Tatverhalten für den unbescholtenen Ersttäter in der Regel dieselbe Strafe ausgemessen wie für den notorischen Wiederholungstäter.

Erst im Falle der Beeinspruchung der Strafverfügung wird im ordentlichen Verfahren, bisweilen erst im Berufungsverfahren, ein Vormerkungsauszug eingeholt. Wenn dieser ergibt, dass es sich um einen notorischen Wiederholungstäter handelt, weil der gegenständlichen Geschwindigkeitsüberschreitung bereits elf weitere in den letzten beiden Jahren vorangegangen sind oder weil der Beschuldigte im letzten Jahr bereits fünfmal das rote Ampellicht ignoriert hat, ist es für eine höhere Bestrafung bereits zu spät. Einer solchen steht nämlich der in § 49 Abs. 2 letzter Satz auch für das Verhältnis von Strafverfügung zu Straferkenntnis geltende strafrechtliche Grundsatz der „reformatio in peius“ entgegen. Dies bedeutet, dass im Falle der Beeinspruchung einer Strafverfügung im daraufhin durchzuführenden ordentlichen Verfahren sowie im Fall einer Berufungserhebung auch im Berufungsverfahren keine höhere Strafe verhängt werden darf als in der beeinspruchten Strafverfügung. Die Behörden werden in diesem System zwar in die Lage versetzt, die in der Strafverfügung festgesetzte Strafe zwar aufgrund der sich im ordentlichen Verfahren oder im Berufungsverfahren ergebenden Unbescholtenheit oder unterdurchschnittlichen finanziellen Leistungsfähigkeit des Täters herabzusetzen, es kann jedoch zu keiner Anpassung der Strafe nach oben kommen, selbst wenn sich herausstellt, dass es sich beim Beschuldigten aufgrund der Vielzahl von einschlägigen Vorstrafen um einen unbelehrbaren Verkehrsrowdy handelt.

Vor dem Hintergrund, dass der Zweck der Ausstellung von Strafverfügungen gerade in der Vereinfachung des Verfahrens liegt und in einem derart vereinfachten Verfahren – wie auch der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat – eine Strafbemessung nach den Kriterien des § 19 Abs. 2 VStG in der Regel mangels Kenntnis der relevanten Umstände nicht in Betracht kommt, erscheint die mit BGBl 1995/620 erfolgte gesetzliche Verankerung des Grundsatzes der „reformatio in peius“ im Verhältnis Strafverfügung – Straferkenntnis rechtspolitisch fragwürdig. Ein Überdenken dieser Regelung scheint vor allem auch im Hinblick darauf angezeigt, dass die andere Möglichkeit, der aufgezeigten Problematik durch die Einholung und Berücksichtigung von Vormerkungsauszügen bei der Erstellung von Strafverfügungen zu begegnen, aller Voraussicht nach einen hohen zusätzlichen Personal- und Kostenaufwand bedingt.

1. Besonders gefährliche Verhältnisse und besondere Rücksichtslosigkeit

Für die Begehung der oben genannten Delikte im Straßenverkehr unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder unter besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern sieht die StVO schon seit langem einen besonderen Strafrahmen vor, der gemäß § 99 Abs. 2 lit. c StVO von 36,– bis 2.180 Euro reicht.

Abgesehen davon, dass die Mindeststrafe im Hinblick darauf, dass auch außerhalb des Anwendungsbereiches des § 99 Abs. 2 c StVO ohnedies kaum Geldstrafen unter 36,– Euro ausgesprochen werden, viel zu niedrig angesetzt wurde[12], erweist sich die Rechtsvorschrift des § 99 Abs. 2c StVO auch sonst nur mit Einschränkungen als praxistauglich.

Die höchstgerichtliche Judikatur[13] verlangt nämlich unter Berufung auf § 44a Z 1 VStG, dass der strafsatzändernde Umstand der besonderen Rücksichtslosigkeit bzw. der besonders gefährlichen Verhältnisse nicht nur sachverhaltsmäßig feststehen, sondern auch bei der Umschreibung der Tat im Sinne des § 44a Z 1 VStG seinen Ausdruck finden muss, was durch eine entsprechende Bescheidbegründung nicht ersetzbar ist. Der Spruch betreffend eine in Verbindung mit § 99 Abs. 2 lit. c StVO begangene Verwaltungsübertretung hat zwingend jene zum Tatbild dieser Übertretung zählenden konkreten Umstände zu enthalten, die die besondere Gefährlichkeit der Verhältnisse bzw. die besondere Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern konkret ausmachen. Diese Umstände müssen außerdem dem Beschuldigten binnen der Verfolgungsverjährungsfrist von sechs Monaten ab Tatbegehung im Zuge einer gegen ihn gerichteten behördlichen Verfolgungshandlung zur Last gelegt werden.

Dem Beschuldigten wäre also, um diesen formalrechtlichen Anforderungen gerecht zu werden, konkret und fristgerecht vorzuhalten, dass die ihm angelastete Geschwindigkeitsüberschreitung deshalb unter besonders gefährlichen Verhältnissen erfolgte, weil die Fahrbahn vereist war, oder deshalb unter besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern erfolgte, weil die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit auf einer gerade von zahlreichen Schulkindern benützten Straße überschritten wurde.

In der Verwaltungspraxis findet dies leider wenig Beachtung und geht oft nicht einmal aus der Anzeige und schon gar nicht aus der Textierung der Strafverfügung oder des Straferkenntnisses mit hinreichender Deutlichkeit hervor, worin die besondere Rücksichtslosigkeit gelegen ist, bzw. inwiefern von besonders gefährlichen Verhältnissen auszugehen war. Im Berufungsverfahren ist es häufig bereits zu spät, die Tatanlastung noch entsprechend den Anforderungen der höchstgerichtlichen Judikatur zu konkretisieren, sodass es in zahlreichen Fällen dazu kommt, dass die erstinstanzlich vorgenommene Subsumtion eines Verkehrsdelikts unter § 99 Abs. 2c StVO aus rein formalrechtlichen Gründen der Prüfung durch die Unabhängigen Verwaltungssenate nicht standhält[14].

1. Ergebnis

Während das gesetzliche Instrumentarium im Bereich der Alkoholdelikte durchaus tat- und täteradäquate Verwaltungsstrafen ermöglicht und aus der Sicht der Berufungsbehörde auch die Vollzugspraxis als effizient zu bezeichnen ist, zeigen sich, was die Bekämpfung von Verkehrsrowdies betrifft, gravierende Schwächen im Regelungs- und Vollzugssystem. Soll das rechtspolitische Ziel, notorische Wiederholungstäter und besonders rücksichtslose Verkehrsteilnehmer verwaltungsstrafrechtlich deutlich härter zu sanktionieren als den Durchschnittsdelinquenten, erreicht werden, so sind sowohl die Gesetzgebung als auch die Vollziehung gefordert.

[1] BGBl. I Nr. 93/2009

[2] Delikte des Lenkens bzw. der Inbetriebnahme von Fahrzeugen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (§ 5 Abs. 1 StVO) bzw. der Verweigerung des Alkomattests (§ 5 Abs. 2 StVO)

[3] So sind am UVS Wien im Jahr 2008 wegen Übertretungen des § 5 Abs. 1 StVO (Alkoholisierung jenseits der 0,8 Promille) 52, wegen Übertretungen des § 14 Abs. 8 FSG (Alkoholisierung zwischen 0,5 und 0,8 Promille) dagegen bloß 7 Berufungsverfahren angefallen.

[4] Von den 78 Berufungsverfahren, die im Jahr 2008 wegen Übertretungen des § 5 StVO angefallen sind, betrafen 26 Verweigerungsdelikte.

[5] Zu denken ist an den Fall, dass ein Lenker wegen seines auffälligen Fahrverhaltens angehalten wird, ein daraufhin durchgeführter Alkomattest zwar eine Alkoholisierung von weniger als 0,8 Promille ergibt, der Lenker jedoch dem Amtsarzt vorgeführt wird und dieser einen durch Alkohol beeinträchtigten Zustand feststellt, wie er ab einer Alkoholisierung ab 0,8 Promille de lege angenommen wird.

[6] vgl. VwGH vom 24.12.1993, Zl. 91/03/0343

[7] VwGH vom 30.4.1992, Zl. 92/02/ 0149

[8] Siehe auch VwGH vom 19.5.1998, Zl. 98/11/0046

[9] Eine solche Regelung , die die Durchführung bestimmter verbotener Veranstaltungen (Hütchenspiel) zunächst verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert, für notorische Wiederholungstäter aber die gerichtliche Strafbarkeit vorsieht, findet sich bspw. in § 32 Abs. 1 a bis 1c Wiener Veranstaltungsgesetz, LGBl für Wien Nr. 12/1971 idF Nr. 64/2006

[10] Erst mit der jüngst in Kraft getretenen Novelle BGBl I Nr. 93/2009 wurden in den neu geschaffenen Abs. 2d und 2e des § 99 StVO höhere Strafsätze für Geschwindigkeitsüberschreitungen von besonders hohem Ausmaß verankert.

[11] Dies liegt in erster Linie daran, dass es sich bei derartigen Verwaltungsstrafverfahren um Massenverfahren handelt und den erstinstanzlichen Behörden nicht genügend Personal zur Verfügung steht, um vor der Erlassung jeder Strafverfügung eine Vormerkungsanfrage einzuholen. Es könnten diesbezüglich jedoch EDV-unterstützte Lösungen angedacht werden.

[12] Daran hat auch die jüngste Novellierung durch BGBl I Nr. 93/2009 nichts geändert.

[13] Siehe etwa VwGH vom 14.7.2000, 98/02/0019 sowie vom 9.3.2001, 2000/02/0128

[14] Siehe etwa UVS vom 28.10.2004, UVS-03/P/46/489/2004

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