
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat sich in seinem Erkenntnis vom 24.09.2025, Ra 2024/04/0322, mit der Unterscheidung von materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Fristen befasst. Hintergrund war die einjährige Frist zur Einbringung einer Datenschutzbeschwerde gemäß § 12a Abs. 3 erster Satz TLVwGG. Es war zu klären, ob die Regelung des § 33 Abs. 3 AVG für verfahrensrechtliche Fristen zu Anwendung kommt und damit der Postlauf nicht in die Frist eingerechnet wird.
Nach der Rechtsprechung des VwGH hat eine Frist dann verfahrensrechtlichen Charakter, wenn sie die Möglichkeit, eine Handlung zu setzen, die prozessuale Rechtswirkungen auslösen soll (Verfahrenshandlung), zeitlich beschränkt. Dies ist etwa bei den in den Verfahrensgesetzen (AVG etc.) normierten bzw. grundgelegten Fristen der Fall, und trifft vor allem auf Fristen für Rechtsbehelfe und auf Fristen für sonstige Akte, die auf Erlassung einer Entscheidung gerichtet sind, zu. Aber auch in Materiengesetzen finden sich Fristen mit verfahrensrechtlichem Charakter. Bei der Ermittlung des Charakters einer Frist kommt sowohl der Einordnung einer Vorschrift im betreffenden Gesetz als auch der ausdrücklichen Anordnung, dass die Versäumung der Frist zur Zurückweisung eines Antrags führt, Indizwirkung zu.
Ist eine Rechtshandlung hingegen auf den Eintritt materieller Rechtswirkungen gerichtet, so ist die dafür vorgesehene Zeitspanne als materiell-rechtliche Frist zu qualifizieren. Darunter fallen etwa gesetzliche Fristen, die das Erlöschen des Anspruches bei nicht rechtzeitiger Antragstellung bzw. Geltendmachung vorsehen. Auch gesetzliche Regelungen, die eine Frist für eine Antragstellung „bei sonstigem Verlust“ oder „bei sonstigem Anspruchsverlust“ befristen, sind materiell-rechtliche Fristen. Die Wertung einer Frist als materiell-rechtliche muss vom Gesetz unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht werden, ansonsten ist von einer verfahrensrechtlichen Frist auszugehen.
Die vom Verwaltungsgericht angenommene Wertung der in § 12a Abs. 3 TLVwGG normierten einjährigen Beschwerdefrist als materiell-rechtliche Frist war nach Ansicht des VwGH vom Gesetz nicht unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht worden, sodass nicht die Normierung einer materiell-rechtlichen Frist anzunehmen war. Die Wahrnehmung der in § 12a Abs. 3 TLVwGG normierten Beschwerdefrist ist zudem auf die Erlassung einer Entscheidung gerichtet und ist zudem bei Verstreichen dieser Beschwerdefrist weder ein Erlöschen des Anspruches noch ein „sonstiger [Anspruchs-] Verlust“ vorgesehen. Es kann daher bereits unter Berücksichtigung der oben dargestellten Rechtsprechung des VwGH und der gebotenen Beachtung der Indizwirkung kein Zweifel daran bestehen, dass es sich bei der einjährigen Beschwerdefrist des § 12a Abs. 3 TLVwGG um eine verfahrensrechtliche Frist handelt.
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