VfGH: Sozialhilfegesetze in Wien und NÖ widersprechen dem Grundsatzgesetz

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat mit zwei Erkenntnissen vom 11.03.2025, G 197/2024 und G 63/2024, einerseits § 5 Abs. 2 Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG) und andererseits § 5 Abs. 4 Z 6 NÖ Sozialhilfe-Ausführungsgesetzes (NÖ SAG) jeweils wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (SH-GG) aufgehoben. Die taxative Aufzählung von Aufenthaltstiteln in beiden Ausführungsgesetzen führt zu einer unsachlichen, dem Grundsatzgesetz widersprechenden Differenzierung. Beide Aufhebungen treten mit Ablauf des 31.03.2026 in Kraft.

Nach dem SH-GG sind Leistungen der Sozialhilfe dauerhaft niedergelassenen Fremden zu gewähren, die sich seit mindestens fünf Jahren dauerhaft tatsächlich und rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Das Grundsatzgesetz stellt somit auf eine dauerhafte Niederlassung sowie eine fünfjährige Wartefirst ab, ohne das Erfordernis bestimmter Aufenthaltstitel zu normieren.

Die Ausführungsgesetze in Wien und Niederösterreich sehen eine taxative Auflistung von Aufenthaltstitel für die Bezugsberechtigung vor. Fremde, die z.B. nur eine befristeten Aufenthaltstitel besitzen, haben demnach keinesfalls Anspruch auf Sozialhilfe, auch wenn sie sich seit mindestens fünf Jahren dauerhaft tatsächlich und rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben.

Der VfGH betont in seinen Entscheidungen zunächst, dass ein Ausführungsgesetz dem Grundsatzgesetz nicht widersprechen, es also auch nicht in seiner rechtlichen Wirkung verändern oder einschränken darf. Er führt dann weiter aus, dass bei der Auslegung des Grundsatzgesetzes im Zweifelsfall diejenige Möglichkeit als zutreffend anzusehen ist, die dem Ausführungsgesetzgeber den weiteren Spielraum lässt. Es steht dem Ausführungsgesetzgeber insbesondere frei, näher auszugestalten, wann eine „dauerhafte“ Niederlassung vorliegt. Es ist dem Ausführungsgesetzgeber grundsätzlich auch unbenommen, die für eine Bezugsberechtigung maßgeblichen Aufenthaltstitel aufzuzählen, solange er hierbei sachliche Differenzierungen trifft.

Aus diesem Grund wird ein Ausführungsgesetz den Vorgaben des § 4 Abs. 1 SH-GG nicht gerecht, wenn es den Ausschluss von der Bezugsberechtigung schlicht daran knüpft, dass Hilfesuchende bloß über einen befristeten Aufenthaltstitel, wie etwa eine „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gemäß § 41a NAG verfügen, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob (ungeachtet des formell befristeten Aufenthaltstitels) eine dauerhafte Niederlassung iSd § 4 Abs. 1 SH-GG vorliegt, die bei Erfüllung der Wartefrist zum Bezug von Sozialhilfeleistungen berechtigt.

Der VfGH sieht auch in § 4 Abs. 3 SH-GG keine entsprechende Ermächtigung für den Landesgesetzgeber für die gewählte Lösung, da auch diese Bestimmung nicht zu unsachlichen Differenzierungen innerhalb des Kreises der Bezugsberechtigten ermächtigt. Auch integrationspolitische Ziele rechtfertigen diese Regelungen nicht.

Die Landesgesetzgeber haben nun bis 01.04.2026 Zeit für eine Reparatur des Gesetzes.

Hier geht es zur Entscheidung G 197/2024 …

Hier geht es zur Entscheidung G 63/2024 …

Hier geht es zur Presseaussendung des VfGH …

Siehe dazu bereits: VfGH hegt Bedenken gegen die taxative Aufzählung der Anspruchsberechtigten im Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG)

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