Der EGMR hat im Fall Danileţ v. Romania (application no. 16915/21) eine Verletzung des Art. 10 EMRK erkannt. Der Fall betraf eine Disziplinarstrafe, die gegen einen Richter auf nationaler Ebene verhängt wurde, weil er zwei Nachrichten auf seinem Facebook-Konto mit 50.000 Followern gepostet hatte.
Das erste Posting beinhaltete Kritik an der politischen Beeinflussung bestimmter Institutionen, wie Polizei, Justiz und Armee; es betraf Fragen von öffentlichem Interesse im Zusammenhang mit der Gewaltenteilung und die Notwendigkeit, die Unabhängigkeit der Organe eines demokratischen Staates zu wahren. Das nationale Gericht war der Meinung, dass durch dieses Posting die Ehre und der guten Ruf der Justiz beeinträchtigt und die Pflicht des Richters zur Zurückhaltung in einer Weise verletzt worden sei, die geeignet war, den guten Ruf der Justiz zu beschädigen.
Das zweite Posting, in welchem er den Mut eines Staatsanwaltes lobte, über die Freilassung gefährlicher Häftlinge offen zu sprechen, betraf die Gesetzesreform des Justizsystems und war auch von öffentlichem Interesse. Das nationale Gericht sah in der Verwendung der Sprache die Grenzen des Anstandes überschritten und sei dieses Posting eines Richters unwürdig gewesen.
In diesem Zusammenhang bekräftigt der Gerichtshof den Grundsatz, dass von den Richter:innen erwartet werden kann, dass sie bei der Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung Zurückhaltung üben, da die Autorität und Unparteilichkeit der Richterschaft in Frage gestellt werden könnten. Im vorliegenden Fall waren die fraglichen Äußerungen jedoch nicht eindeutig rechtswidrig, verleumderisch, hasserfüllt oder aufrufend zur Gewalt.
Der Gerichtshof stellte fest, dass die nationalen Gerichte mehrere wichtige Faktoren nicht gebührend berücksichtigt hatten, insbesondere den breiteren Kontext, in dem die Äußerungen des Klägers gemacht worden waren, seine Teilnahme an einer Debatte über Fragen von öffentlichem Interesse, die Frage, ob die geäußerten Werturteile hinreichend auf Tatsachen beruhten, und schließlich die potenziell abschreckende Wirkung der Sanktion. Außerdem ist das Vorliegen eines Angriffs auf die Würde und die Ehre des Berufs des Richters nicht hinreichend dargelegt worden. Die nationalen Gerichte haben in ihren Entscheidungen der Meinungsfreiheit des Klägers nicht das Gewicht und die Bedeutung beigemessen, die ihr im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs zukommt, obwohl ein Kommunikationsmittel (nämlich ein öffentlich zugänglicher Facebook-Account) verwendet worden ist, was berechtigte Fragen hinsichtlich der Einhaltung der richterlichen Zurückhaltungspflicht hätte aufwerfen können.
Folglich hatten die rumänischen Gerichte keine stichhaltigen und ausreichenden Gründe zur Rechtfertigung des angeblichen Eingriffs in das Recht des Klägers auf freie Meinungsäußerung. Daher liegt eine Verletzung des Art. 10 EMRK vor.