Besetzung der Spitze des VwGH ohne Anforderungsprofil und Auswahlverfahren?

Beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) sind die Funktionen der Präsidentin/des Präsidenten und der Vizepräsidentin/des Vizepräsidenten ausgeschrieben. Die Bewerbungsfrist endet am 23.05.2025. Als Ernennungsvoraussetzungen wird auf jene in Art. 134 Abs. 4 bis 6 B-VG hingewiesen. Weitere Anforderungen sind der Ausschreibung nicht zu entnehmen.

Nach der Bestimmung des Art. 134 Abs. 4 B-VG müssen Mitglieder des VwGH ein Studium der Rechtswissenschaften oder die rechts- und staatswissenschaftlichen Studien abgeschlossen haben und über eine zehnjährige juristische Berufserfahrung verfügen. Aus dem VwGG ergibt sich nur, dass die zu besetzenden Planstellen des Präsidenten und Vizepräsidenten vom Bundeskanzler auszuschreiben sind. Weitere gesetzliche Vorgaben gibt es abgesehen von den Unvereinbarkeiten in Art. 134 Abs. 5 und 6 B-VG nicht.

Auch wenn innerstaatlich keine weiteren Anforderungen und Verfahrensschritte vorgesehen sind, so sind bei der Besetzung von Gerichtspräsident:innen und deren Stellvertreter jedenfalls auch die europäischen Standards zu beachten. Diese sehen vor, dass die Verfahren für die Ernennung von Gerichtspräsident:innen den gleichen Weg wie bei der Auswahl und Ernennung von Richter:innen gehen sollten, insbesondere sollte eine richterliche Kommission das Auswahlverfahren durchführen. In den jährlichen Rechtsstaatlichkeitsberichten der Europäischen Kommission wird Österreich laufend empfohlen, der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, die Justiz an der Ernennung der Präsident:innen von Verwaltungsgerichten zu beteiligen und dabei europäische Standards für die Auswahl von Gerichtspräsident:innen zu berücksichtigen.

Auch der GRECO Bericht gibt die Empfehlung ab, richterliche Personalsenate mit der Auswahl von Präsident:innen und Vizepräsident:innen der Verwaltungsgerichte zu befassen.

Der Beirat der Europäischen Richter (CCJE) führt in seiner Opinion Nr. 19 aus, dass die Verfahren für die Ernennung von Gerichtspräsident:innen den gleichen Weg folgen sollten, wie für die Auswahl und Ernennung von Richter:innen. Dazu gehören ein Verfahren zur Bewertung der Bewerber und ein Gremium, das befugt ist, Richter:innen gemäß den in der Empfehlung CM/Rec(2010)12 und früheren Stellungnahmen des CCJE festgelegten Standards auszuwählen und/oder zu ernennen.

Der Status Quo in Österreich sieht wesentlich anders aus: Die europäischen Vorgaben wurden in der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht umgesetzt. Es scheint vielmehr so, als würden lediglich die vom innerstaatlichen Gesetz vorgegebenen Normen eingehalten werden, die bei der Besetzung der Spitze des VwGH lediglich eine Ausschreibung durch den Bundeskanzler vorsehen.

Eine Auswahlkommission, die mehrheitlich richterlich zu besetzen wäre, ist gesetzlich nicht vorgesehen und bislang auch faktisch nicht eingerichtet. Selbst wenn eine solche Kommission noch eingerichtet werden würde, so ist nicht erkennbar, wer dieser Kommission angehören soll und anhand welcher Maßstäbe sie eine Auswahl und einen Ernennungsvorschlag zu treffen hat. Die Ausschreibung gibt dazu – bis auf ein Studium der Rechtswissenschafen und 10jährige Berufserfahrung – nichts vor.

Lediglich das Regierungsprogramm lässt wissen, dass das Vorschlagsrecht für den Präsidenten des VwGH beim Bundeskanzler und für den Vizepräsidenten beim Vizekanzler liegt. Der Anschein der politischen Einflussnahme wurde damit transparent gemacht, das Verfahren zur Auswahl der Kandidat:innen für ein so wichtiges Amt im Staat bleibt weiter im Dunkeln. Europäische Standards werden völlig außer Acht gelassen und Empfehlungen im Rechtsstaatlichkeitsbericht ignoriert.

Hier geht es zur Ausschreibung …

Siehe auch: Stellungnahme des Dachverbandes zu Postenbesetzungen laut Regierungsprogramm 2025 ‑ 2029

Die Presse: Verwaltungsgerichtshof sucht neue Präsidenten

„Politik teilt sich Top-Positionen der Justiz auf“

Reihung bei Postenbesetzung durch unabhängige Fachgremien und Begründung beim Abgehen durch Regierung gefordert

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