Herausforderungen, Entwicklungen und Chancen wurden bei der von der Uni Graz und dem LVwG Steiermark organisierten Veranstaltung am 5. Februar 2024 beleuchtet. Klar hervorgekommen ist, dass die Einrichtung der Verwaltungsgerichte ein bemerkenswerter Schritt für die Rechtsstaatlichkeit in Österreich war. Die Verwaltungsgerichte sind ein Kernbestandteil des Rechtsschutzsystems nach der Bundesverfassung.
Dass die Herausforderungen in der Umstellungsphase zur neuen Gerichtsbarkeit für die verschiedenen Gerichte groß waren, ist angesichts der neuen Strukturen und Aufgaben nachvollziehbar. Nach dem zehnjährigen Bestehen der Verwaltungsgerichtsbarkeit in zwei Instanzen macht sich eine Zufriedenheit aufgrund des guten Funktionierens breit. Die Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes ist ganz klar gelungen, die europäischen Vorgaben wurden durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit eingehalten und kam es auch zu einer Verfahrensbeschleunigung durch den weitgehenden Wegfall des Instanzenzuges.
Betont wird die geringe Anfechtungsquote von Entscheidungen der Verwaltungsgerichte von weniger als 10% der Entscheidungen und die nochmals geringere Aufhebungsquote durch die Höchstgerichte. Der Verwaltungsgerichtshof konnte sich aufgrund der erfolgreichen Reform und Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte auf seine Leitfunktionen – Rechtseinheit, Rechtsfortentwicklung und Rechtssicherheit – zurückziehen und darüber hinaus die Verfahrensdauer erheblich reduzieren. In diesem Zusammenhang wurde auf das „Amt des Unionsrichters“ des nationalen Richters und den Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts nach der Rechtsprechung des EuGH hingewiesen.
Die Verwaltungsgerichte tragen auch umfassend zur Rechtsbereinigung und zur Rechtsklärung bei; dies zeigt sich durch die hohe Zahl der Anträge nach Art. 139 B-VG durch Verwaltungsrichter:innen. Die Verwaltungsgerichte können als Motoren der Verordnungsprüfung gesehen werden, auch aufgrund der zahlreichen Anträge zu den Corona-Maßnahmenverordnungen. Dadurch ersparen die Verwaltungsgerichte den Parteien kostenintensive und langwierige Verfahren.
Der Verfassungsgerichtshof unterstützt den Einsatz der Verwaltungsgerichte im Rahmen seiner Zuständigkeit und sichert ihre Unabhängigkeit; dies haben gerade die Entscheidungen zur kollektiven Justizverwaltung (z.B. Geschäftsverteilungsausschuss und Personalsenat) in Abgrenzung zur Gerichtsbarkeit (z.B. Disziplinarverfahren) gezeigt. Der Verfassungsgerichtshof sieht die Verwaltungsgerichte als Parteien auch in Verfahren nach Art. 144 B-VG und eröffnet damit die Möglichkeit, zur eigenen Entscheidung und zum Verfahren Stellung zu nehmen. Dabei wird vom Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes betont, dass dies die Unabhängigkeit des Gerichtes nicht beeinträchtigt.
Erfreut wurde vom Publikum auch die Forderung bzw. der Wunsch unterstrichen, dass sich die Politik aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit raushalten solle, wie dies der Präsident des Verwaltungsgerichtshof als Schlusswort festhielt.
Präsident Thienel betont beim Festvortrag der Abendveranstaltung in der Aula der Alten Universität zudem, dass die fachliche Kompetenz der Verwaltungsrichter:innen durch die erforderliche zumindest fünfjährige einschlägige Berufserfahrung gesichert ist und zudem besondere Ausbildungsmodule zur Verfügung gestellt werden, sodass das Fachwissen und die richterliche Qualifikation der Verwaltungsrichter:innen unbestritten gegeben sind.
Die Entwicklung der Verwaltungsgerichte ist eine laufende und werden Anpassungen auch in der Zukunft durch noch offene oder neu hinzutretende Aufgabenstellungen erforderlich sein. Sei es die Digitalisierung, die durch die rasante Entwicklung auch im Bereich der KI besonders herausfordernd erscheint, sei es durch ein Verfahrensrecht, dass nach einer Vereinheitlichung und Vereinfachung ruft, sei es durch das Handeln der Politik, das immer wieder zum Anschein politischer Einflussnahme führt.
Siehe dazu auch: Landesverwaltungsgericht Steiermark feiert zehnjähriges Bestehen …