Der Festsaal des Palais Trautson, der Sitz des Justizministeriums, bot einen gediegenen Rahmen für die diesjährige Fachtagung der Standesvertretungen der Verwaltungsrichter:innen, die erstmals von den Kolleg:innen des Bundesverwaltungsgerichts organisiert worden war. Justizministerin Alma Zadic ließ es sich daher in ihrer Eigenschaft als „Hausherrin“ nicht nehmen, die Tagung persönlich zu eröffnen, die im 10. Jahr der Verwaltungsgerichtsbarkeit eine Bestandsaufnahme „von innen und außen“ zum Thema hatte.
Den Eröffnungsvortrag hielt Raffaele Sabato, Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, der eine sehr präzise Analyse der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Fragen des Ernennungsverfahren von Richter:innen unter dem Blickwinkel von Art. 6 EMRK gab. Seine Schlussfolgerungen boten nicht nur eine übersichtliche Zusammenfassung dieser Rechtsprechung, sondern waren auch von praktischem Interesse für die Ernennungsverfahren an den Verwaltungsgerichten in Österreich.
Rechtsanwalt Martin Riedl stellte in seinem Vortrag den Rechtsschutz für Richter:innen in Dienstrechts-und Disziplinarverfahren in den Mittelpunkt. Anhand konkreter Beispiele wie etwa von Beschwerdeverfahren betreffend die Dienstbeurteilung zeigte er die Entwicklung des Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auf, in Sachen der Einwendungen gegen die Geschäftsverteilung ortete er eine – planwidrige – Gesetzeslücke, da diese nach dem Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz zwar den Straf-und Zivilrichter:innen zur Verfügung steht, nicht aber den Bundesverwaltungsrichter:innen. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass diese Möglichkeit auch bei keinem der Landesverwaltungsgerichte besteht.
Im Anschluss an die Fachvorträge moderierte Benedikt Kommenda von der Tageszeitung „Die Presse“ die Podiumsdiskussion, an der als Repräsentant des DVVR Senatspräsident des VwGH Markus Thoma teilnahm, Frau Barbara Cargnelli-Weichselbaum, Assistenzprofessorin am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien, die Vizepräsidentin des Bundesfinanzgerichtes Andrea Müller-Dobler und der Vizepräsident der Wiener Rechtsanwaltskammer Michael Rohregger.
Überraschend einhellig wurde seitens der Podiumsteilnehmer:innen die Frage, ob sich die Verwaltungsrichter:innen in ihren Entscheidungen von der Politik „emanzipieren“ konnten, positiv beantwortet, wobei auf praktische Erfahrungen in Verfahren vor den Gerichten Bezug genommen wurde. Rechtsanwalt Martin Riedl hatte dazu in seinem Vortrag auf diesbezügliche Bedenken von Justizrichter:innen hingewiesen, denen er immer wieder begegnen würde.
Gefragt, in welche Richtung sich die Verwaltungsgerichte entwickeln werden, verwies Markus Thoma auf die Entschließung des Nationalrates vom 15. Mai 2012 und die dort formulierten Maßnahmen zur Sicherung der Unabhängigkeit der Verwaltungsgerichte, die großteils noch auf ihre Realisierung warten. Abschließend entspann sich auf die Frage von Claudia Pinter, Präsidentin der VRV, welche Rolle der Einsatz künstlicher Intelligenz und ChatGPT künftig spielen werde, eine sehr lebhafte Diskussion, die zeigte, wie aktuell dieses Thema ist. Das nächste Maiforum, das vom LVwG Niederösterreich organisiert werden wird, wird sich diesem Thema widmen.