EU-Rechtsstaatlichkeitsbericht: Weiterhin Kritik am Auswahlverfahren der Gerichtspräsidenten

Österreich ist es bis dato nicht gelungen, jene Schwachstellen im Justizsystem zu beseitigen, die seit dem Jahr 2020  in den Rechtsstaatlichkeitsberichten der EU-Kommission aufgezeigt werden. Dies zeigt sich einmal mehr am gestern veröffentlichten „Rule-of-Law-Report 2022“.

Dies betrifft insbesondere die fehlende Beteiligung richterlicher Gremien am Auswahlverfahren für die Leitungsfunktionen am Oberster Gerichtshof, sowie die Bedenken hinsichtlich der Ernennung von Präsidenten und Vizepräsidenten der Verwaltungsgerichte. Weiters mahnt der Bericht eine weitere justizielle Beteiligung an der Ernennung von Richtern ein.

In der im Frühjahr zur Begutachtung ausgesendeten Novelle zum Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz (RStDG) war noch vorgesehen worden, dass zukünftig Personalsenate die Besetzungsvorschläge für Präsident/in und Vizepräsident/in des OGH erstatten sollen und in die Übernahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst eingebunden sind. In der nun ins Parlament eingebrachten Dienstrechts-Novelle 2022 ist davon keine Rede mehr.

Seitens der EU-Kommission wird Österreich empfohlen:

  • Fortsetzung der Reform zur Errichtung einer unabhängigen Bundesstaatsanwaltschaft unter Berücksichtigung europäischer Standards in Bezug auf die Unabhängigkeit und Autonomie der Strafverfolgung, einschließlich der Gewährleistung des unabhängigen Funktionierens der spezialisierten Antikorruptionsstaatsanwaltschaft.
  • Die Notwendigkeit einer Einbeziehung der Justiz in die Verfahren zur Ernennung des Präsidenten und Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs und der Gerichtspräsidenten von Verwaltungsgerichten unter Berücksichtigung europäischer Standards für die Ernennung von Richtern und die Auswahl der Gerichtspräsidenten.
  • Abschluss der legislativen Überarbeitung der Regeln für die Finanzierung politischer Parteien, einschließlich der Befugnis des Rechnungshofs, die Finanzen der politischen Parteien zu prüfen.
  • Einführung wirksamer Vorschriften für die Erklärung von Vermögenswerten und Interessen für die Mitglieder des Parlaments, einschließlich wirksamer Überwachungs- und Sanktionsmechanismen.
  • Den Rahmen für die Vergabe staatlicher Werbung durch Behörden auf allen Ebenen zu reformieren, insbesondere um die Fairness und Transparenz ihrer Verbreitung zu verbessern.
  • Fortschritte bei der Reform des Zugangs zu amtlichen Informationen unter Berücksichtigung der europäischen Standards für den Zugang zu amtlichen Dokumenten

Hier geht’s zum Rechtsstaatlichkeitsbericht, Länderkapitel „Österreich“ …

Siehe dazu auch: Reform der Besetzungsverfahren vom Tisch, Greco-Empfehlungen weiter nicht umgesetzt …

 

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