EuGH bestätigt die 5-jährige Strafbarkeitsverjährungsfrist bei der Ahndung von Unterentlohnung

Das LVwG Steiermark stellte ein Vorabentscheidungsersuchen betreffend die Auslegung von Art. 41 Abs. 1 und Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und von Art. 6 der EMRK. Gegenstand des Verfahrens war die Bestrafung wegen Nichteinhaltung der im österreichischen Recht vorgesehenen Lohnverpflichtungen für entsandte Arbeitnehmer.

 § 7i Abs. 7 AVRAG (nunmehr § 29 Abs. 4 LSD-BG) sah vor, dass die Frist für die Verfolgungsverjährung (§ 31 Abs. 1 VStG) drei Jahre ab der Fälligkeit des Entgelts beträgt. Bei Unterentlohnungen, die durchgehend mehrere Lohnzahlungszeiträume umfassen, beginnt die Frist für die Verfolgungsverjährung im Sinne des ersten Satzes ab der Fälligkeit des Entgelts für den letzten Lohnzahlungszeitraum der Unterentlohnung. Die Frist für die Strafbarkeitsverjährung (§ 31 Abs. 2 VStG) beträgt in diesen Fällen fünf Jahre.

Das LVwG hatte Zweifel an der Vereinbarkeit von § 7i Abs. 7 AVRAG, der für die LM zur Last gelegte Übertretung nach § 7i Abs. 5 AVRAG eine Verjährungsfrist von fünf Jahren vorsieht, mit dem Unionsrecht. Eine solche Frist sei besonders lang für ein fahrlässig begangenes Bagatelldelikt im Verwaltungsstrafrecht und es sei fraglich, ob sich eine Person angemessen verteidigen könne, insbesondere wenn diese Verteidigung fast fünf Jahre nach den vorgeworfenen Handlungen stattfinde.

Zunächst hielt der EuGH fest, dass er für die Beantwortung der Vorlagefrage nicht zuständig, soweit sie sich auf die Auslegung von Art. 6 EMRK bezieht, während er für die Auslegung von Art. 47 Abs. 2 der Charta zuständig ist, der, wie es in den Erläuterungen zur Charta der Grundrechte (ABl. 2007, C 303, S. 17) heißt, Art. 6 Abs. 1 EMRK entspricht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Februar 2021, Consob, C‑481/19, EU:C:2021:84, Rn. 37).

Wie aus Art. 5 der Richtlinie 96/71 hervorgeht, hat der Unionsgesetzgeber es den Mitgliedstaaten überlassen, geeignete Sanktionen insbesondere zur Durchsetzung der Verpflichtung in Bezug auf den Mindestlohnsatz zu gewährleisten. Diese Richtlinie enthält keine Verjährungsregeln für die Verhängung von Sanktionen durch die nationalen Behörden.

Der grenzüberschreitende Charakter der Entsendung von Arbeitnehmern und der Verfolgung einer solchen Übertretung kann die Arbeit der zuständigen nationalen Behörden relativ komplex machen und damit die Festsetzung einer Verjährungsfrist rechtfertigen, die hinreichend lang ist, um den zuständigen nationalen Behörden die Verfolgung und Ahndung einer solchen Übertretung zu ermöglichen. Von den Dienstleistungserbringern, die Arbeitnehmer in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsenden, kann vernünftigerweise erwartet werden, dass sie die Belege über die Zahlung der Löhne an diese Arbeitnehmer mehrere Jahre lang aufbewahren. Im Übrigen weist der EuGH darauf hin, dass Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2014/67 die Mitgliedstaaten ausdrücklich ermächtigt, von den in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringern zu verlangen, nach der Entsendung auf Ersuchen der zuständigen Behörden innerhalb einer angemessenen Frist bestimmte Dokumente vorzulegen, darunter die Belege über die Entgeltzahlung. Es erscheint daher nicht unangemessen, dass die in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Dienstleistungserbringer aufgrund einer Verjährungsfrist von fünf Jahren die Belege über die Entgeltzahlung aufbewahren und vorlegen müssen.

Der EuGH fasst sohin zusammen: Art. 5 der Richtlinie 96/71 in Verbindung mit Art. 47 der Charta und im Licht des allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatzes des Rechts auf eine gute Verwaltung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die für Verstöße gegen Verpflichtungen in Bezug auf die Entlohnung entsandter Arbeitnehmer eine Verjährungsfrist von fünf Jahren vorsieht

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