Bundesfinanzgericht: Präsident/Präsidentin gesucht

Die seit mehr als einem Jahr vakante Stelle des Präsidenten/der Präsidentin des Bundesfinanzgerichts ist seit 20. März in der „Wiener Zeitung“ ausgeschrieben. Das Auswahlverfahren wurde trotz Verletzung europarechtlicher Standards und deutlicher Kritik aus Europa nicht geändert.

Auswahl und Ernennung der Präsidenten/Präsidentinnen der Verwaltungsgerichte ist alleinige Entscheidung der Regierungen

Bereits vor vier Jahren hatte „GRECO“ im sog. „Situation-Report“ empfohlen, für die Verwaltungsgerichte in Österreich eine strengere Formalisierung des Aufnahmeverfahrens und eine stärkere Einbindung der Personalsenate vorzusehen, auch bei der Auswahl von Präsidenten und Vizepräsidenten. Die Besetzungsvorschläge sollten bindend sein. (Siehe dazu: „GRECO“ fordert für Verwaltungsrichter einheitliches Dienstrecht und verbindliche Besetzungsvorschläge)

Diese Kritik wurde von der Österreichischen Bundesregierung mit dem Argument zurückgewiesen, dass die Präsidenten der ordentlichen Gerichte sehr wohl von richterlichen Gremien (den Personalsenaten) ausgewählt werden, eine Ausnahme bestehe „nur“ für die Auswahl der Präsidenten der Verwaltungsgerichte. Ungeachtet dieser Ausnahme hätten sich bei den Verwaltungsgerichten des Bundes Bewerberinnen und Bewerber einem Hearing vor einer eigenen Kommission zu unterziehen, in welcher u.a. auch die Präsidenten der Höchstgerichte vertreten seien.

„GRECO“ stellte dazu fest, ungeachtet dieses Einwandes sei in Österreich die Auswahl und Ernennung der Präsidenten der Verwaltungsgerichte eine reine Ermessensentscheidung der jeweiligen Regierung (executive power). Diese Rechtslage entspricht nicht den Europäischen Standards. (Siehe dazu: Österreich verteidigt Auswahlverfahren für Präsidenten der Verwaltungsgerichte vor dem Europarat)

In ihrem Gutachten vom März 2019 zur Stellung des Präsidenten des Verwaltungsgerichtes Wien weist auch der Europarat (CCJE) darauf hin, dass das Bestellungsverfahren für den Gerichtspräsidenten nach den selben Regeln zu erfolgen habe wie das Bestellungsverfahren für Richter. Zudem müssen Bewerber für die Position eines Gerichtspräsidenten über Rechtssprechungserfahrung verfügen.

Zuletzt rügte auch die EU-Kommission im Rechtsstaatlichkeits-Bericht 2020 die Ernennungsverfahren für Präsidenten der Verwaltungsgerichte in Österreich. Die Kommission teilte dabei die von den richterlichen Interessenvertretungen, dem Europarat und von GRECO geäußerten Bedenken am derzeitigen Status quo, weil die Ernennung im ausschließlichen Ermessen der jeweiligen Regierung liege. (Diese Kritik erfolgte wohl auch vor dem Hintergrund, dass Ungarn bei der geplanten Einrichtung neuer Verwaltungsgerichte, ausdrücklich das System der österreichischen Verwaltungsgerichtsbarkeit als Vorbild genannt hatte.)

Keine Mitwirkung des Personalsenates, kein Rechtsschutz für übergangene Bewerber

In der Ausschreibung in der „Wiener Zeitung“ wird Rechtssprechungserfahrung ausdrücklich nicht genannt. Bewerberinnen und Bewerber müssen nur die Voraussetzung zum Richter/zur Richterin eines Verwaltungsgerichtes ernannt werden zu können, erfüllen und über „weitreichende Kenntnisse und praktische Erfahrungen…auf dem Gebiet gerichtlicher bzw. gerichtsförmiger (?) Entscheidungsfindungsprozesse“ verfügen.

Der Personalsenat des Bundesfinanzgerichts hat im Verfahren keinerlei Mitwirkungsrecht. Das Verfahren soll in Form eines Hearings vor einer Kommission erfolgen, die gemäß § 5 Abs. 5 BFGG zusammengesetzt ist und in der keine Richter und Richterinnen des BFG vorgesehen sind.

Da die Regelungen zum Auswahl- und Ernennungsverfahren seit Einrichtung der Verwaltungsgerichte unverändert geblieben sind, fehlt auch ein Rechtsschutz für übergangene Bewerber. Ein solcher wird aber in der Empfehlung des Europarates zur richterlichen Unabhängigkeit ausdrücklich gefordert (CM/Rec(2010)12). Zuletzt hat der Europäische Gerichtshof in einem Verfahren betreffend Besetzungsvorschläge für Richter an einem polnischen Höchstgericht festgestellt, dass diese Besetzungsvorschläge ohne effektive Beschwerdemöglichkeit gegen EU-Recht verstoßen können.

Ende der Bewerbungsfrist ist der 20. April 2021 (einlangend)

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