Judikatur VfGH: Durch Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz darf Meinungsfreiheit nicht beschränkt werden

Im Anlassfall hatte ein Tierschutzaktivist im Juni 2018 bei einer Veranstaltung zum Thema „Milch“ ein Kuhkostüm samt Kuhmaske getragen, um so auf sein Anliegen, die Bedingungen in der Milchproduktion, hinzuweisen. Weil er durch das Tragen des Kostüms samt Maske gegen das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz verstoßen habe, wurde gegen ihn eine Geldstrafe verhängt.

Dagegen wurde Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben und vorgebracht, durch diese Bestrafung sei der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit verletzt worden; auch stütze sich die Strafe auf ein verfassungswidriges Gesetz. Er stellte daher den Antrag, die im Instanzenzug ergangene Strafentscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (LVwG) aufzuheben.

Der VfGH hat der Beschwerde stattgegeben und die angefochtene Entscheidung des LVwG aufgehoben. Der Gerichtshof stellte fest, dass das inkriminierte Verhalten des Beschwerdeführers (Tragen eines Kuhkostüms samt Kuhmaske) jedenfalls eine Kommunikationsform ist, die im Zusammenhang mit der Intention des Beschwerdeführers steht, kritisch über die Bedingungen der Milchproduktion, auch durch Verteilen von Flugblättern zu diesem Thema, zu informieren.

Die Verkleidung als Kuh dient dabei als Stilmittel, die Aufmerksamkeit der Personen auf sich zu ziehen und diese vom Standpunkt, dass Milchproduktion Tierleid erzeugt, zu überzeugen.  Die angefochtene Entscheidung des LVwG Niederösterreich, die   eine   Bestrafung   nach   §   2 AGesVG bestätigte, greift in die durch Art.  10 EMRK geschützte Meinungsäußerungsfreiheit ein.

Hier geht’s zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (E 4697/2019) …  

Siehe dazu auch: Verhüllen bzw. Verbergen der Gesichtszüge an einem öffentlichen Ort zwecks Verhinderung der Identitätsfeststellung erfüllt den Tatbestand des Verstoßes gegen das Verhüllungsverbot (VwGH vom 18.06.2020, Ro 2020/01/0006)

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