In dem gestern veröffentlichten ersten Rechtsstaatlichkeits-Bericht der EU-Kommission wird der Österreichischen Justiz ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt. Deutlich ausgefallen ist aber die Kritik am Verfahren für die Ernennung der Präsidenten der Verwaltungsgerichte.
Mitwirkung richterlicher Gremien erforderlich
Die Kommission verweist dabei auf die von den richterlichen Interessenvertretungen, dem Europarat und von GRECO geäußerten Bedenken am derzeitigen Status quo. So müssen Präsidenten weder zuvor Richter gewesen sein noch gibt es eine Mitwirkung der richterlichen Gremien am Auswahlverfahren, da die Ernennung im ausschließlichen Ermessen der jeweiligen Regierung liegt, sodass die Präsidenten letztlich politisch ernannt werden.
Der Dachverband der Verwaltungsrichter (DVVR) hatte in der Vergangenheit immer wieder gefordert, das Bestellungsverfahren für Präsidenten an jenes der Richter anzugleichen, wobei Rechtssprechungserfahrung eine notwendige Ernennungsvoraussetzung für die Bestellung zum Präsidenten eines Verwaltungsgerichts sein müsse. In diesem Zusammenhang wurde auch die Verbindlichkeit der Besetzungsvorschläge der richterlichen Gremien gefordert, wie diese bereits beim Verwaltungsgerichtshof der Fall ist. (Siehe dazu: Dachverband der Verwaltungsrichter sieht dringenden Handlungsbedarf für Verfassungs- und Organisationsgesetzgeber)
Auch GRECO hatte in der Vergangenheit mehrere Empfehlungen an Österreich zum Verwaltungsgerichtssystem gerichtet, und u. a. die Stärkung der Rolle der Personalgremien bei Ernennungen und eine Angleichung der Standards für die Richterernennungen zwischen ordentlichen und Verwaltungsgerichten gefordert.
Noch keine konkreten Pläne für Änderungen
Die EU-Kommission verweist auch darauf, dass im aktuellen Programm der Bundesregierung zwar allgemeine Absichten, die Einstellungsstandards in dieser Hinsicht anzugleichen, enthalten sind, zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber noch keine konkreten Pläne vorliegen. Die Kommission dürfte der Situation der österreichischen Verwaltungsgerichtsbarkeit auch deshalb besonderes Augenmerk schenken, da Ungarn seine umstrittene und letztlich verschobene Einrichtung neuer Verwaltungsgerichts nach dem Vorbild Österreich durchführen wollte. (Siehe dazu: Kritik an der Organisation der neuen Verwaltungsgerichte in Ungarn)
Zuletzt hatte es in Österreich Kritik am Auswahlverfahren für den Präsidenten des Landeverwaltungsgerichts Burgenland gegeben. Auch bei der Neuregelung des Auswahlverfahrens wurden rechtsstaatliche Bedenken ignoriert, da weiterhin die politische Ernennung von „Nicht-Richtern“ zu Gerichtspräsidenten ermöglich wurde.
Sollte die Regierung daher tatsächlich der Kritik der Kommission folgen wollen, müsste dies wohl durch eine verfassungsrechtliche, alle Verwaltungsgerichte betreffende Regelung erfolgen.
Derzeit ist die Stelle des Präsidenten/der Präsidentin des Bundesfinanzgerichtes vakant.
Hier geht’s zum Länderkapitel über die Rechtsstaatslage in Österreich (automatisierte Übersetzung)…
Siehe dazu auch: Österreich verteidigt Auswahlverfahren für Präsidenten der Verwaltungsgerichte vor dem Europarat