Niederlande: Höchstgericht verpflichtet Regierung zur Einhaltung der Klimaziele

Mit einem als historisch zu bezeichnenden Urteil hat der „Hohe Rat der Niederlande“ die Regierung verpflichtet, den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen bis Ende 2020 um mindestens 25 Prozent zu verringern. 

Das Oberste Gericht des Landes hat damit am Freitag einen Einspruch der Regierung gegen frühere Urteile abgewiesen. Dagegen ist kein Rechtsmittel zulässig. Die Regierung hatte bereits im Vorfeld erklärt, sie werde sich an das Urteil halten, egal wie es ausfalle.

David Boyd, UN-Berichterstatter für Menschenrechte und Umwelt erklärte die Entscheidung als most important climate change court decision in the world so far, confirming that human rights are jeopardized by the climate emergency.”

Weitreichende Folgen 

Das Urteil kann weitreichende Folgen haben: zum einen für Kläger in anderen EU-Staaten, die gegen ihre Regierungen wegen ihrer Ansicht nach unzureichenden Klimaschutzes prozessieren, hat doch das niederländische Höchstgericht seine Entscheidung unmittelbar auf Artikel 2 und 8 der EMRK gestützt.

Zum anderen für die deutschen Energiekonzerne. Sie betreiben in den Niederlanden mehrere, teils erst vor wenigen Jahren eröffnete Kohlekraftwerke. Diese Meiler müssen nun womöglich viel schneller geschlossen werden als geplant. Denn Ende 2018 hatte das Land erst CO2-Einsparungen von 15 Prozent erreicht.

Was ist rechtlich bindend?

Dutzende Male haben Bürger schon ähnliche Klagen gegen Energiekonzerne oder Staaten angestrengt; viele sind noch nicht entschieden worden. Auch in Deutschland und vor dem Europäischen Gerichtshof laufen solche Verfahren. Entscheidend ist oft die Frage, ob von Politikern ausgegebene Klimaschutzziele rechtlich bindend sind.

„Das niederländische Urteil könnte ein Durchbruch werden“, sagt der Klimaökonom Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung dem Spiegel. Denn mehr als 40 Staaten haben die Europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnet, auf die das Gericht in Den Haag sein Urteil stützt. Ihre Bürger können sich nun bei ähnlichen Klagen gegen ihre Regierungen auf die Entscheidung des obersten niederländischen Gerichtshofs berufen.

„In Deutschland bekommen wir bald ein Klimaschutzgesetz“, sagt Schwarze. „Das könnte einen ganz anderen Rahmen für mögliche Klagen bieten als bloße politische Absichtserklärungen.“ Die Bundesregierung wird aller Wahrscheinlichkeit nach das deutsche Klimaziel verfehlen, bis 2020 die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken.

„Wahrscheinlich müsse der Staat nun Kohlekraftwerke schließen“

Deutsche Stromkonzerne müssen nun um ihre Steinkohlekraftwerke in den Niederlanden bangen. Die Stiftung Urgenda erklärt nach ihrem Sieg vor Gericht, die Regierung in Den Haag müsse nun „weitere Maßnahmen ergreifen, um die Lücke bis 2020 zur 25-prozentigen Reduzierung zu schließen.“ Wahrscheinlich müsse der Staat nun Kohlekraftwerke schließen, die erst 2015 und 2016 eröffnet wurden.

Auf großes Interesse stoßen wird der Spruch der obersten niederländischen Richter auch bei den internationalen Großinvestoren. Milliardenschwere Kapitalgeber wie Pensionsfonds, Lebensversicherer und Fondsgesellschaften beginnen zunehmend Geld aus dem Fossil- in den Erneuerbaren-Sektor umzuschichten – oder es sogar ganz aus Kohle- und Ölunternehmen abzuziehen. Hinter diesem Divestment stehen vor allem finanzielle Motive: Die Finanzkonzerne fürchten, dass ihre Investitionen sich durch abrupte politische Kehrtwenden oder Naturkatastrophen entwerten.

Dazu den Beitrag auf spiegelonline lesen … 

 

Siehe dazu auch:

Klima- ein Fall fürs Gericht? 

Und:

Nationalrat erklärt Klimanotstand 

Und:

UN-Bericht – „Klima-Apartheid“ bedroht Menschenrechte

 

 

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