Gericht der Europäischen Union: Das unbekannte Verwaltungsgericht

Bericht von einer Studienreise (2) 

Während der Europäische Gerichtshof (EuGH) durch eine Reihe von Entscheidungen einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden ist, arbeitet das zweite Gericht im Europäischen Gerichtssystem, das Gericht der Europäischen Union (EuG), von außen weitgehend unbeachtet. Zu Unrecht, wie wir uns im Rahmen unserer Studienreise nach Luxemburg überzeugen konnten.

EuG als erstinstanzliches Verwaltungsgericht

Während der EuGH als oberstes Rechtsprechungsorgan der EU im Wesentlichen zur Entscheidung in Vorabentscheidungsverfahren und Vertragsverletzungsverfahren zuständig ist, hat das EuG (Englisch: „General Court“) die Funktion eines erstinstanzlichen Verwaltungsgerichts, welches zur Kontrolle der Entscheidungen von EU-Organen (hauptsächlich der EU-Kommission) berufen ist.

Das EuG gewährleistet damit das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht im Sinne des Art 47 Grundrechte-Charta (im Folgenden auch: GRC). Gleichzeitig wurde damit auf europäischer Ebene ein zweistufiges Gerichtssystem geschaffen, da gegen alle Entscheidungen des Gerichts beim Europäischen Gerichtshof ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel eingelegt werden kann.

Richter des EuG Viktor Kreuschitz

Ursprünglich war pro EU-Mitgliedsstaat ein Richter am EuG ernannt, seit dem Jahr 2015 wird das Gericht schrittweise aufgestockt, sodass zukünftig zwei Richter pro Mitgliedsstaat tätig werden. Für Österreich ist das Viktor Kreuschitz (seit dem Jahr 2013) und seit September dieses Jahres Gerhard Hesse, langjähriger Leiter des Verfassungsdienstes. Räumlich untergebracht ist das EuG gemeinsam mit den EuGH, die Gerichte sind aber – ausgenommen den Dolmetscherapparat – organisatorisch getrennt.

Vergleichbare verfahrensrechtliche Fragestellungen

Die Arbeitsschwerpunkte des Gerichtes sind Marken- und Wettbewerbsverfahren, Dienstrechtsverfahren betreffend EU-Bediensteten sowie Entscheidungen der EU-Kommission zur Terrorbekämpfung. Aus Sicht der nationalen Verwaltungsgerichte ist die Tätigkeit des EuG insoferne von besonderem Interesse, da die dort auftretenden Fragestellungen auch bei den nationalen Verwaltungsgerichten eine große Rolle spielen. Das betrifft beispielsweise Frage des Zugangs zu Dokumenten (entspricht dem nationalen Auskunftspflichtverfahren), Parteistellung, Gewährung von Parteigehör oder Akteneinsicht. Diese Fragen stellen sich regelmäßig im Hinblick auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder der Verwertung von Geheimdienstinformationen.

Viktor Kreuschitz erläuterte der österreichischen Delegation in seinem Vortrag sehr anschaulich, welche Regelungen die Verfahrensordnung des Gerichtes dazu vorsieht und wie diese Bestimmungen in der Praxis angewendet werden.

Im Anschluss an die Fachvorträge bot sich der Delegation auch die Gelegenheit, den neu errichteten dritten Turm des EuGH einen Besuch abzustatten.

Siehe auch:

Pressemitteilung zur feierlichen Sitzung des Gerichtshofs vom 26.09.2019: Teilweise Neubesetzung des Gerichts der Europäischen Union und Amtsantritt von vierzehn neuen Mitgliedern

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