Luxemburger Verwaltungsgerichte: Rechtsschutz ohne Sprachbarriere

Bericht von einer Studienreise (1)

Der schmucklose 70er Jahre-Bau, in dem die beiden Verwaltungsgerichte des Großherzogtums untergebracht sind, war damals eines der ersten Gebäude auf dem Kirchberg. Heute ist es neben den drei neuen Türmen des EuGH und den anderen Gebäuden europäischer Institutionen in der neu geschaffenen Stahl-Glas-und Asphaltwüste des heutigen Kirchberges fast zu übersehen.

Frankreich als Vorbild

Notwendig geworden war die Einrichtung von Verwaltungsgerichten in Luxemburg im Jahr 1997, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrecht (EGMR) die Doppelfunktion des nach französischem Vorbild eingerichteten Staatsrats als Beratungsorgan der Regierung und als Verwaltungsgericht als unzulässig erklärt hatte (Urteil“ Procola“).

VwGH Präsident Francis Delaporte

Heute verfügt das Verwaltungsgericht I. Instanz (Tribunal Administratif) über 15 Richterinnen und Richter, der Verwaltungsgerichtshof als II. Instanz (Court Administrative) besteht aus 5 Richterinnen und Richter. Da absolvierte Juristinnen und Juristen in Luxemburg wegen der guten Verdienstmöglichkeiten stark zum Anwaltsberuf tendieren, haben alle Gerichte in Luxemburg große Nachwuchsprobleme. Aus diesem Grund wird als Unterstützung der Rechtssprechungstätigkeit an einem Modell für Richterassistenten gearbeitet, da diese nicht die luxemburgische Staatsbürgerschaft haben müssen.

Auch das Verfahrensrecht orientiert sich stark an dem französischen Modell, das heißt, es wird grundsätzlich schriftlich durchgeführt, die mündliche Verhandlung dient in erster Linie dazu, die jeweiligen Standpunkte möglichst überzeugend zu präsentieren. Der Prüfungsumfang der Verwaltungsgerichte ist nicht rein kassatorisch, sondern wird in den jeweiligen Materiengesetzen gesondert festgelegt- oft in Reaktion auf Entscheidungen, mit denen die Politik nicht einverstanden ist.

Hohe Fach – und Sprachkompetenz

Der Arbeitsanfall spiegelt die Position des Großherzogtums als eines der führenden Finanzzentren in Europa mit großer Anziehungskraft für ausländische Arbeitskräfte deutlich wider. Rund 40% der anfallenden Verfahren betreffen Asyl- und Ausländerrecht, dicht gefolgt von Finanzverfahren aller Art. Es herrscht Anwaltszwang in beiden Instanzen, ausgenommen Steuersachen in erster Instanz.

Vizepräsident des VG Carlo Schockweiler

Die öffentliche mündliche Verhandlung, der die österreichische Delegation dann beiwohnen konnte, behandelte dann auch einen typischen Fall, mit dem sich die Luxemburger Verwaltungsgerichte regelmäßig zu befassen haben. Es ging um eine Steuernachforderung von rund 200 Millionen Euro wegen verdeckter Gewinnausschüttung durch ein griechisches Telekom-Unternehmen im Wege der Wiederaufnahme der Steuerverfahren durch die Finanzbehörden. Grundlage des ursprünglichen Steuerverfahrens waren die sogenannten „Rulings“ dh Vorabvereinbarung von internationalen Konzernen mit den Finanzbehörden gewesen.

Beeindruckend ist die Sprachkompetenz der Richterinnen und Richter: Die Verhandlung wird in der Sprache durchgeführt, welche der Anwalt oder die Parteien sprechen. Das kann Deutsch, Luxemburgisch oder Französisch sein, mitunter auch Englisch, es wird mühelos von einer Sprache in die andere gewechselt. Die Gerichtsakten, Protokolle und Urteile werden aber ausschließlich in französischer Sprache verfasst und veröffentlicht.

Das gemeinsame Abendessen mit den Luxemburger Kolleginnen und Kollegen, an dem auch die österreichischen Richter an EuG und EuGH, Viktor Kreuschitz und Andreas Kumin, teilnahmen, bot dann Gelegenheit zu einem weiteren intensiven fachlichen Austausch, auch über aktuelle Fälle aus Österreich.

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