Podiumsdiskussion: Die Justiz im Spannungsfeld des öffentlichen Interesses

Am 7. März 2019 fand im Albert Schweitzer-Haus ein Vortrag von Alois Birklbauer, Professor für Strafrecht an der JKU Linz, zum Thema „Die Justiz im Spannungsfeld des öffentlichen Interesses“ mit anschließendem Podiumsgespräch statt.

Ein Veranstaltungsbericht von Wolfgang Helm

Podiumsteilnehmer waren Friedrich Forsthuber (Präsident des LG Strafsachen Wien), Nina Horaczek (Politologin und Falter-Redakteurin) und Christian Pilnacek (Generalsekretär im Justizministerium), sowie als Moderatorin Susanne Reindl-Krauskopf (Professorin für Strafrecht an der Universität Wien).

Birklbauer legte dar, dass der Einfluss öffentlicher Diskussion auf richterliche Entscheidungen – insbesondere was das Strafmaß betrifft – nachweisbar ist: So können Richterinnen und Richter versucht sein, medialem Druck in dieser Richtung nachzugeben, oder einem Regierungsvorhaben zur Erhöhung der Mindeststrafen bereits im Vorfeld den Wind aus den Segeln zu nehmen. Letzteres mit gutem Grund, da erhöhte Mindeststrafen erwiesenermaßen keine präventiven Effekte haben, aber den richterlichen Spielraum vermindern, in Fällen besonders geringen Verschuldens Einzelfall-gerechtigkeit zu üben. Besonders kritisch seien richterliche Prognoseentscheidungen, da Prognosen immer unsicher seien, aber auch bei Fehlschlag in der Öffentlichkeit vertreten werden müssen, wenn sie gesetzmäßig getroffen worden sind.

Die Rolle der Medien, aber auch der Regierung bei ihren Versuchen, vermeintliche Korrekturen an der Rechtsprechungspraxis vorzunehmen, war Thema des anschließenden Podiumsgesprächs, in welchem Pilnacek das Vorgehen der Regierung bei der soeben abgeschlossenen Projektgruppe zum Sexualstrafrecht verteidigte.

Das aktuelle Regierungsvorhaben einer „Sicherungshaft“ aus  Anlass des Mordes in Dornbirn bildete die Brücke zur allgemeinen Diskussion. In dieser vertrat der Berichterstatter die Ansicht, dass eine Inhaftierung des späteren Täters keiner Verfassungsänderung bedurft hätte, da bereits die geltende Z 7 des Art. 2 Abs. 1 PersFrG in allen jenen Fällen ausreiche, in denen eine Abschiebung überhaupt möglich sei; könne der „Gefährder“ aber von vorherein nicht abgeschoben werden, so wäre es sinnlos oder sogar kontraproduktiv, ihn zu inhaftieren, weil er nach der Maximaldauer von sechs Monaten Sicherungshaft erst recht auf die Allgemeinheit losgelassen werden müsse.

Forsthuber pflichtete bei, dass ein Gefährder nach sechs Monaten Haft eher noch gefährlicher werde, vor allem da die Regierung kein Konzept für psychologische Betreuung und Deradikalisierung in der Haft erkennen lasse.

Katharina Beclin (Professorin für Kriminologie an der Universität Wien) wies auf die Notwendigkeit hin, gegenüber Gefährdern im familiären Umfeld das vorhandene Instrumentarium auszuschöpfen, indem nach massiver Gewaltanwendung oder nach ernstzunehmender Drohung öfter als bisher Untersuchungshaft verhängt werde, weil nur so die Ausführung einer Beziehungstat effektiv verhindert werden könne.

Auch der Berichterstatter regte an, lieber die bei dringendem Tatverdacht gegebenen Möglichkeiten auszuschöpfen, als noch weitere Einschränkungen an einen eher problematischen Gefährderbegriff zu knüpfen.

Die gegenteilige Ansicht vertrat Pilnacek. In diesem Zusammenhang appellierte Horaczek an die Politik, wesentlich mehr Augenmerk auf die Maßnahmen zum Opferschutz und Antigewalttraining zu legen, und vor allem nachhaltig für deren Finanzierung zu sorgen. Besonders Kinder, die von familiärer Gewalt – gegen sie oder gegen ihre Mütter – betroffen seien, müssten viel intensiver betreut werden, nicht zuletzt auch deshalb, weil sie sonst Gefahr liefen, zur nächsten Tätergeneration zu werden.

Dr. Wolfgang Helm ist Richter des Verwaltungsgerichts Wien

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