Chinas „smarte“ Justiz oder wie Persönlichkeitsrechte außer Kraft gesetzt werden

Bis 2020 testet die chinesische Regierung in 43 Kommunen ein ausgefeiltes Sozialkreditsystem. Mit Punktabzug, öffentlichen Demütigungen oder Pluspunkten wird damit über die berufliche Zukunft, den Zugang zu Bildung und Krediten oder die individuelle Reisefreiheit entschieden. (Siehe dazu: Der dressierte Mensch, „Le monde  diplomatique“ Jänner 2019)

Laut einem Bericht im „Standard“ ist China auch dabei, seinen Plan, „alle Personen zu vernetzen“, auf die nächste Stufe zu heben: Das Ziel sei, „alle Personen mit allem“ zu vernetzen, steht im neuen „Entwicklungsbericht 2018 zur Digitalisierung des chinesischen Justizwesen“. Dabei setzt es auf die Kombination und Anwendung von Internet Plus, „Big Data“, „Cloud“ und künstlicher Intelligenz. Das Land habe anfangs keine führende Rolle dabei gespielt. „Nun überholt es die frühen Vögel.“ Bis 2020 werde Chinas Justizwesen auf „smarten Gerichten“ aufbauen.

Schon beim Datenschutz ist es vom Rechtsstaat weit entfernt. Der ist auch kein Thema bei der Präsentation. Der Bericht verlangt nach mehr „Big Data als Kernressource der Digitalisierung“. Es sei eine „praktische Notwendigkeit, dass sich unterschiedliche Plattformen, Netzwerke, Abteilungen und Gerichte Daten teilen und effizient zusammenarbeiten“.

Schwarze Listen für Sünder

Paradebeispiel dafür, wie effizient das geschieht, sind die schwarzen Listen des Obersten Gerichts. Seit 2013 lassen seine höchsten Richter die Namen säumiger Schuldner darauf setzen, sobald Gerichte gegen sie Zwangsvollstreckung anordneten. Richter Zhao Jinshan sagte: Weil Zwangsvollstreckungen kaum durchsetzbar sind, „lassen wir Schuldner in ihrer Bewegungsfreiheit und vor allem in ihrem Luxuskonsum wirksam einschränken“. Jeweils nach Höhe ihrer Schulden und dem Verlust an Vertrauenswürdigkeit können die Gerichte Betroffene unter dutzende Sonderauflagen stellen. Wer sich nicht daran hält, macht sich strafbar. (Siehe dazu auch: App zeigt verschuldete Personen im Umfeld von 500-Metern)

Der jüngste spektakuläre Fall traf Dai Wei, den charismatischen Gründer des in Konkurs schlitternden Leihfahrradsystem Ofo. Mit dem vor vier Jahren gegründeten Start-up brachte er mehr als zehn Millionen Chinesen dazu, Ofo zwischen 99 und 199 Yuan Pfand zu zahlen, um sich Räder ausleihen zu können. Sie verlangen nun ihre Einlagen zurück. Seit dem Sommer ist Dai seinen Lieferanten rund sieben Millionen Euro schuldig geblieben, meldete die Finanzzeitschrift „Caixin“ zu Weihnachten.

Das Volksgericht im Bezirk Haidian verhängte eine Zwangsvollstreckung. Weil der 27-Jährige nicht zahlte, darf er nicht mehr in der Luxusklasse fliegen oder mit Hochgeschwindigkeitszügen fahren, weder Golfklubs noch Sternehotels besuchen, keine Autos mehr kaufen oder teuren Urlaub machen. „Auf unserer schwarzen Liste stehen acht Millionen verurteilte Schuldner. Vier Millionen sind wieder von ihr heruntergekommen,“ sagt Richter Zhao. Wer zurückzahlt, werde innerhalb von drei Arbeitstagen von der Liste gestrichen.

Sozialkreditsystem

Die Zwangsmethode funktioniert, weil sie das Persönlichkeitsrecht außer Kraft setzt und das Oberste Gericht inzwischen mit 60 Ministerien, Grenzbehörden, Flug- und Bahngesellschaften bis hin zu großen sozialen Netzwerke wie Alibaba und Tencent mit ihren Bezahlsystemen vernetzt ist. Die Richter bestätigen, dass ihr Kontrollsystem ein Baustein für das in China geplante Bonitätssystem mit seinen Sozialkreditpunkten ist.

Hier den Beitrag im Standard lesen …

Siehe dazu auch: Wenn Algorithmen über die Zukunft entscheiden …

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