Richterernennung (2): Ex-Justizminister soll Verfassungsrichter werden

apa

Keine Wartefrist für Ex-Politiker

Man muss fast 100 Jahre zurückgehen, um ähnliche Fälle zu finden. Zuletzt gab es in der Ersten Republik direkte Wechsel aus der Regierung in den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Mit Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter könnte nun wieder jemand mehr oder weniger direkt aus der Regierung in das Höchstgericht wechseln. Anders als beim Präsident bzw. Vizepräsidenten des Verfassungsgerichtshofes gibt es für die Ernennung von Expolitikern zu „einfachen“ Richtern keine sogenannte „Cooling-off“ – Phase.

Kritik an Nebentätigkeiten

Nach einem Bericht des „Standard“ stoße die Bestellung von Brandstetter bei etlichen Richtern des Verfassungsgerichtshofs auf  Unverständnis, habe er doch als Ex-Minister jahrelang in der Justiz und über Gesetze bzw. Gesetzesvorhaben (mit)bestimmt, sodass Befangenheiten entstehen könnten.

Verfassungsjurist Theo Öhlinger hat laut „Kurier“ damit „kein grundsätzliches Problem“. Eine für Öhlinger viel schwerwiegendere Problematik ist aber die Nebenberuflichkeit. Auch Brandstetter wird seine Kanzlei wohl als Höchstrichter weiterführen. Aus diesem Umstand können sich oft heikle Befangenheitsgründe ergeben, findet der Verfassungsjurist. Auch dürfte es für manchen Mandanten attraktiv sein, sich einen Verfassungsrichter als Anwalt zu nehmen.

Das Problem sieht er allerdings nicht exklusiv bei Brandstetter, sondern das gelte für viele Verfassungsrichter. Die Tätigkeit am VfGH ist nämlich als nebeberuflich definiert. Für Öhlinger ein „absurdes Konstrukt“. Die Bestimmung stammt aus dem Jahr 1920 und damit aus einer Zeit, in der es deutlich weniger Fälle zu bearbeiten gab. Heute klagen die Richter hingegen oft über die Aufgabenflut.

Siehe dazu auch:

Pro und kontra für ein Abkühlungsphase

 

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