Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte sich auf Antrag des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes (EU 2016/0001 vom 31. März 2016) mit der Frage der Zuständigkeit für Asylverfahren nach Ablauf der sechsmonatigen Abschiebefrist innerhalb des Dublin-Systems zu befassen.
Der VwGH wollte wissen, ob alleine der ungenutzte Ablauf der Überstellungsfrist zu einem Zuständigkeitsübergang führt oder ob für den Übergang der Zuständigkeit auch die Ablehnung der Aufnahme der betreffenden Person durch den zuständigen Mitgliedstaat erforderlich ist.
In dem Fall (C-201/16) hatte der Iraner Majid Shiri geltend gemacht, dass Österreich nach der Dublin-III-Verordnung für die Prüfung seines Antrags zuständig geworden sei, da er nicht innerhalb der vorgesehenen Frist von sechs Monaten nach Bulgarien überstellt wurde. Der Iraner war zuerst über Bulgarien in die Europäische Union eingereist, daher wäre Bulgarien für das Asylverfahren zuständig gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof hatte den Fall zur Klärung an den EuGH verwiesen.
Die EU-Richter stellten nun fest, dass die Zuständigkeit auf den aufnahmeersuchenden EU-Staat – im vorliegenden Fall Österreich – übergeht, sofern die Überstellung nicht innerhalb der Sechs-Monate-Frist durchgeführt wird. Dabei ist nicht extra erforderlich, dass der zuständige EU-Staat – in diesem Fall Bulgarien – die Wiederaufnahme des Asylbewerbers ablehnt.
Der EU-Gerichtshof stellte überdies klar, dass sich Asylbewerber auf den Ablauf der Frist berufen können. Dies gelte unabhängig davon, ob die Frist vor oder nach der Überstellungsentscheidung abgelaufen sei. Die EU-Staaten seien verpflichtet, einen wirksamen und schnellen Rechtsbehelf vorzusehen. Wenn die sechsmonatige Frist nach Erlass der Abschiebeentscheidung abläuft, dürfe der Asylsuchende nicht mehr in ein anderes EU-Land überstellt werden.