VwGH Judikatur: Grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung, Beurteilung nach Richtlinie 96/71

In seinem Erkenntnis vom 22.8.2017, Ra 2017/11/0068,  hat der Verwaltungsgerichtshof den Prüfungsanspruch zur Abgrenzung der grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung vom Werkvertrag erheblich erweitert.

Vom Verwaltungsgerichtshof wurde bisher in ständiger Rechtsprechung zugrunde gelegt, dass bei Erfüllung auch nur eines der in § 4 Abs. 2 Z 1 bis 4 AÜG genannten Tatbestandsmerkmale dem wirtschaftlichen Gehalt nach Arbeitskräfteüberlassung im Sinn des § 3 Abs. 1 AÜG durch den Werkunternehmer als Überlasser im Sinn des § 3 Abs. 2 AÜG  an den Werkbesteller als Beschäftiger im Sinn des § 3 Abs. 3 AÜG jedenfalls vorliegt. Einer Gesamtbeurteilung des Sachverhalts im Sinn des § 4 Abs. 1 AÜG bedürfe es nur dann, wenn durch den Tatbestand keine der vier Ziffern des § 4 Abs. 2 AÜG (in Verbindung mit dem Einleitungssatz dieser Bestimmung) zur Gänze erfüllt sei.

Die Rechtsfrage, ob es sich eine grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung handelt, ist allerdings nicht ausschließlich nach innerstaatlichem Recht zu beantworten.

Vielmehr sind die Kriterien, die für die Arbeitskräfteüberlassung iSd Art. 1 Abs. 3 lit. c der Richtlinie 96/71 entscheidend sind, insofern auch maßgebend für die Beurteilung, ob (grenzüberschreitende) Arbeitskräfteüberlassung iSd §§ 3 und 4 AÜG vorliegt, als nur bei Übereinstimmung mit den unionsrechtlichen Vorgaben eine uneingeschränkte Anwendung des AÜG in Betracht kommt.

Aus dem  Urteil des EuGH, C-586/13, ergibt sich, dass für die Beurteilung, ob ein Sachverhalt als grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung zu beurteilen ist und die in § 17 Abs. 2 AÜG genannte Meldepflicht nach sich zieht, aus unionsrechtlicher Sicht „jeder Anhaltspunkt“ zu berücksichtigen ist und somit unter mehreren Gesichtspunkten zu prüfen ist.

Im Speziellen sind dabei entsprechend dem Urteil „Martin Meat“ die Fragen, ob die Vergütung/das Entgelt auch von der Qualität der erbrachten Leistung abhängt bzw. wer die Folgen einer nicht vertragsgemäßen Ausführung der vertraglich festgelegten Leistung trägt, ob also der für einen Werkvertrag essenzielle „gewährleistungstaugliche“ Erfolg vereinbart wurde und von wem die Arbeitnehmer die genauen und individuellen Weisungen für die Ausführung ihrer Tätigkeiten erhalten, von entscheidender Bedeutung.

Daher sind in einem Fall wie dem Vorliegenden (im Regelfall nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung) eindeutige Sachverhaltsfeststellungen dahin zu treffen, ob und welche der für die Arbeitskräfteüberlassung ausschlaggebenden Kriterien verwirklicht sind, um im Rahmen einer rechtlichen Gesamtbeurteilung fallbezogen das Vorliegen von grenzüberschreitender Arbeitskräfteüberlassung bejahen oder verneinen zu können.

Zum Erkenntnis im Volltext …

 

Teilen mit: