Europas Verwaltungen und Microsoft: Gefährliche Abhängigkeit

Österreich und andere EU-Staaten nutzen Software von Microsoft in ihrer Verwaltung. Sie machen sich immer mehr vom US-Konzern abhängig – und bezahlen dafür Milliarden. Michael Waidner, Direktor des Fraunhofer-Instituts für sichere Informationstechnik und einer der führenden europäischen Experten für Cyber-Sicherheit, befürchtet den Verlust der „digitalen Souveränität“ Europas. 

Staaten und die Europäische Union müssten „in der Lage sein, zu testen ob Hardware und Software ihrer Informationstechnik nur das tun, was sie sollen und nichts sonst“. Darum sollten alle Staaten darauf bestehen, dass „ihre Experten alle nötigen Informationen haben, um die Software in sicherheitsempfindlichen Sektoren zu testen.“ Das sei aber mit den Produkten von Microsoft bisher nicht möglich, heißt es weiter. Das US-Unternehmen hält grundsätzlich den sogenannten Quellcode für seine Programme geheim. Doch ohne ihn gebe es „keine digitale Souveränität“.

Kommission und Regierungen gegen EU-Parlament

Das Europäische Parlament hatte bereits 2015 gefordert, dass die EU und ihre Mitgliedsländer bei Software für die staatliche Verwaltung die Offenlegung des Quellcodes von den Anbietern verlangen. Doch sowohl die EU-Kommission als auch die Regierungen verweigern die Umsetzung des Parlamentsbeschlusses. Microsoft verfügt in vielen EU-Staaten über hochrangige Kontakte in die Regierungsapparate, ergaben die Recherchen von „INVESTIGATE EUROPE“

Im Kern geht es um das Geschäftsmodell von Microsoft. Der Software-Riese aus Redmond im US-Bundesstaat Washington verkauft seine Software, also vor allem das Betriebssystem Windows und die Büroprogramme Word, Excel, Powerpoint und Outlook als Lizenzprodukt. Diese „proprietäre“ Form der Software, wie es im Branchenjargon heißt, verhindert auch, dass mögliche Wettbewerber mit ihrer Software all die Dateien richtig darstellen können, die mit Microsoft-Programmen erzeugt wurden. Überschriften, Tabellen oder Datumsangaben sehen dann plötzlich anders aus, die „Formatierung“ geht verloren. Jeder Computer-Nutzer kennt das Phänomen aus eigener Erfahrung.

Das ist der Schlüssel für das globale Microsoft – und ein sagenhaftes Geschäft. Jahr für Jahr kassiert der Konzern für die bloße Verteilung von Programm-Kopien an die 50 Milliarden Dollar an Lizenzgebühren.

Behörden werden erpressbar

Wie weit das geht, zeigte sich, als Microsoft Ende 2014 die Lieferung von Sicherheits-Updates für die Version „Windows XP“ einstellte. Plötzlich sahen sich staatliche Institutionen quer durch Europa gezwungen, teure Service-Verträge mit dem Konzern abzuschließen, damit dieser weiterhin Sicherheitslücken in seinem alten Programm schließt. Die britische Regierung zahlte 6,5 Millionen Euro, nur um noch ein Jahr Zeit für die Anpassung ihrer Rechner an „Windows 7“ zu bekommen. Auch die Niederlande sowie Niedersachsen und Berlin zahlten mehrere Millionen Euro für die Verlängerung. „Das Gleiche geschah überall in Europa“, bestätigte ein Experte der EU-Kommission. In drei Jahren droht die Fortsetzung der Misere. Dann enden auch die Updates für „Windows 7“.

Siehe dazu folgende Beiträge:

„Wer das Monopol verlässt, wird unter Druck gesetzt“

Beispiel München – Leuchtturm oder Fehlschlag

Europas Verwaltungen sind von Microsoft zu abhängig

Vicenza ist das neue München

 

Im Falter:
Gefangen in der Welt von Microsoft
https://www.falter.at/archiv/wp/gefangen-in-der-welt-von-microsoft

 

 

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