Mit der Novelle zum Versammlungsgesetz wird es in Zukunft rund um Demonstrationen eine Schutzzone von bis zu 150 Meter geben. Zudem erhält die Regierung die Möglichkeit, Wahlkampfauftritte ausländischer PolitikerInnen in Österreich unter bestimmten Voraussetzungen zu verbieten.
Die Neuerungen bleiben aber umstritten. Der Innenausschuss hat den diesbezüglichen Antrag der Koalition einer zweiwöchigen Begutachtung unterzogen, dabei wurden rund 40 Stellungnahmen abgegeben. Die Debatte im Ausschuss brachte keinerlei Annäherungen der Positionen, dem Plenum werden auch keine substantiellen Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Antrag vorgelegt.
Die Opposition lehnt den Entwurf einhellig ab, man befürchtet, das Demonstrationsrecht von AusländerInnen werde übermäßig eingeschränkt. SPÖ und ÖVP wiederum versichern, die Versammlungsfreiheit werde nicht angetastet, und betonen, das Versammlungsrecht werde praktikabler; es gehe um Rechtssicherheit und darum, die Arbeit der Polizei zu erleichtern. Innenminister Wolfgang Sobotka hielt dazu im Ausschuss fest, die Änderungen zielten darauf ab, die bestmögliche Sicherheit für alle Beteiligten zu gewährleisten. Er kündigte auch eine Enquete zum Versammlungsrecht an, da man sich überlegen müsse, wie man unbeteiligt Dritte besser schützen und die Verantwortlichkeit des Versammlungsleiters präzisieren könne.
Hier die Presseaussendung des Parlaments lesen …
In einem Beitrag in den Vorarlberger Nachrichten werden die erhobenen Einwendungen detailliert aufgelistet:
Die katholische Kirche beansprucht für sich eine Ausnahme. Das Generalsekretariat der Bischofskonferenz geht davon aus, dass Versammlungen mit kirchlichem Bezug von den Bestimmungen des Gesetzes ausgenommen sind. “Aus diesem Grund wäre die beabsichtigte Teilnahme von Vertretern des Heiligen Stuhls an einer Versammlung auch nicht anzeigepflichtig”, stellt die Bischofskonferenz in ihrer Stellungnahme fest.
Kritik an der Neuregelung kommt von den Arbeitnehmerorganisationen, wenn auch in unterschiedlicher Form. So lehnt die Arbeiterkammer eine Ausweitung der bestehenden Untersagungsmöglichkeiten von Versammlungen ab. Das mögliche Verbot einer Versammlung, die der politischen Tätigkeit von Drittstaatsangehörigen dient und den außenpolitischen Interessen Österreichs zuwiderläuft, stellt für die AK eine Einschränkung der Versammlungs- und der Meinungsfreiheit dar. Auch die geplante Schutzzone von 150 Metern für eine Versammlung lehnt die AK ab.
Keine Einwände hat die AK hingegen gegen die geplante Ausdehnung der Anzeigenpflicht für Versammlungen von 24 auf 48 Stunden und die einwöchige Anzeigepflicht bei der Teilnahme von Vertretern ausländischer Staaten und internationaler Organisationen. Diese beiden Punkte sieht allerdings der ÖGB kritisch. Für ersteres erkennt der Gewerkschaftsbund keine Notwendigkeit und bei zweiterem hat er die Befürchtung, dass die Teilnahme von Vertretern des EU-Parlaments oder der Internationalen Arbeitsorganisation ILO erschwert oder möglicherweise gar unmöglich gemacht wird. Auch die 150 Meter Schutzbereich für eine Versammlung hält der ÖGB für überschießend.
Uneingeschränkt begrüßt wird der Gesetzesentwurf hingegen von der Wirtschaftskammer. Sie unterstützt sowohl die Verlängerung der Anmeldefristen als auch die Schutzzone und die Einschränkungen für Wahlkämpfe ausländischer Politiker. Die Wirtschaft wünscht sich aber weitere Maßnahmen, um Beeinträchtigungen des Wirtschaftslebens so weit wie möglich zu verhindern.
Ganz anders sieht das der Rechtsanwaltskammertag, der den Entwurf rundweg ablehnt. Die Verlängerung der Anmeldefrist auf 48 Stunden halten die Rechtsanwälte für einen “sachlich nicht gerechtfertigten Eingriff” in die Versammlungsfreiheit und auch die einwöchige Anmeldefrist ausländischer Teilnehmer ist ihrer Ansicht nach mit den Grundwerten der Verfassung “nicht in Einklang zu bringen”. Auch die mögliche Untersagung einer Versammlung für die politische Tätigkeit von Drittstaatsangehörigen ist für die Rechtsanwälte “nicht praktikabel” und mit der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit “nicht in Einklang zu bringen”.
Milder geben sich die Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst. Ihnen sind einige Begriffe in dem Entwurf zu unklar formuliert, so wie etwa jener der “Drittstaatsangehörigen”, der nicht definiert sei. Auch das Außenministerium verweist darauf, dass damit üblicherweise Nicht-EU/EWR-Bürger gemeint sind und dieser Begriff daher enger gefasst wäre als jener der Vertreter “ausländischer Staaten”.
Heftige Kritik üben auch verschiedene Sozialorganisationen. Die Interessensvertretung Gemeinnütziger Organisationen, die 49 Institutionen vertritt, lehnt den Entwurf ab und fordert stattdessen einen Dialog mit der Zivilgesellschaft. Dieser wäre “zielführender als rechtliche Graubereiche zu schaffen und politischer Willkür neue Möglichkeiten einzuräumen”. Die Volkshilfe sieht ebenfalls keinen Anlass für die “beabsichtigte Einschränkung der Versammlungsfreiheit”. Die Bundesjugendvertretung befürchtet, dass durch die Verlängerung der Anmeldefrist auf 48 Stunden das Recht zur öffentlichen Partizipation und Meinungsäußerung beschnitten werden könnte. Der Städtebund hält diese Fristverlängerung hingegen für “angemessen”.