„Behördliche Untätigkeit“ – Rechtsschutzlücke im verwaltungsgerichtlichen Verfahren

fachgruppe verfahrensrechtBei der Ausgestaltung des Rechtsschutzes durch die neuen Verwaltungsgerichte haben sich sowohl Verfassungs- als auch Verwaltungsgerichtshof vom Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes leiten lassen, dem alles andere untergeordnet wird.

Seit seinem Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert ist, weswegen die Möglichkeit einer Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken besteht. Selbst Bescheide, deren Begründung „dürftig“ ist, rechtfertigen keine Zurückverweisung, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls von Gericht durchzuführenden mündlichen Verhandlung  zu vervollständigen sind.

Die damit entstandene Dynamik der  Verlagerung des Verwaltungsverfahrens weg von den Behörden hin zu den Verwaltungsgerichten wird besonders in der Rechtsprechung zur Säumnisbeschwerde deutlich:


Durch den Übergang der Zuständigkeit hat das Verwaltungsgericht  die Angelegenheit „insgesamt zu erledigen“, das Verwaltungsgericht ist auch verpflichtet, (allfällige) nach dem Gesetz mit der Erledigung des Antrages ausdrücklich von Amts wegen zu verbindende Aussprüche (erstmals) zu tätigen (Ro 2015/19/0001, vom 10.11.2015).

Behörde hat kein Kostenrisiko

Die Behörde trägt dabei weder für die von ihr zu verantwortenden Verfahrensmängel noch für eine gänzliche Untätigkeit ein Risiko, anders als die Verwaltungsgerichte, die im Falle der nicht fristgerechten Entscheidung immer dann Verfahrenskosten zu tragen haben, wenn ein Fristsetzungsantrag gestellt wird. Selbst bei Überlastung des Gerichtes gibt es davon keine Ausnahme.

Gänzlich auf den Kopf gestellt wird das Rechtsschutzsystem aber dann, wenn ein Verwaltungsgericht über einen Rechtsanspruch zugunsten des Antragstellers entschieden hat, die dafür notwendige faktische Vollzugshandlung  (z.B. das Ausstellen eines Führerschein, eines Reisepasses, eines Aufenthaltstitels oder die Erteilung einer Auskunft) von der Behörde schlicht verweigert wird.

Den Verwaltungsgerichten kommt gegenüber den von ihnen kontrollierten Verwaltungsbehörden keine Weisungsbefugnis zu, die Behörden sind lediglich gem. § 28 Abs. 5 VwGVG verpflichtet, den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts entsprechenden Rechtszustand mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich herzustellen (Ra 2015/03/0038 vom 13.09.2016).

Tun sie es nicht, bleibt im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auch dieses Verhalten sanktionslos.

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