Europäischer Haftbefehl: Keine Vollstreckung bei mangelhaften Haftbedingungen in Ausstellungsstaat

gibt-deutschland-grundsaetzeVerfügt die zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls zuständige Behörde über (zuverlässige) Informationen über systemische oder allgemeine, bestimmte Personengruppen oder bestimmte Haftanstalten betreffende Mängel der Haftbedingungen im Ausstellungsstaat, die eine echte Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung des Betroffenen nach der Übergabe iS von Art 4 GRC befürchten lassen, kann sie die Vollstreckung von zusätzlicher Informationserteilung durch die ausstellende Justizbehörde abhängig machen.

Die Entscheidung über die Übergabe ist bis zum Erhalt von Informationen, welche das Vorliegen einer solchen Gefahr ausschließen, aufzuschieben. Können Bedenken nicht binnen angemessener Frist ausgeräumt werden, ist das Übergabeverfahren uU zu beenden.


Die Entscheidung betrifft von ungarischen und rumänischen Justizbehörden ausgestellte Europäische Haftbefehle. Sie ist bemerkenswert, weil der EuGH die Pflicht zu weitergehender Prüfung der zur Vollstreckung aufgerufenen Behörde ua aus Art 1 Abs 3 des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl ableitet. Die bisherige Rechtsprechung war hingegen bei der Annahme von Einschränkungen der Vollstreckungspflicht aus grundrechtlichen Überlegungen sehr zurückhaltend (vgl etwa Rechtssache C-399/11, Melloni).

EuGH Urteil vom 5. April 2016, C-404/15 (Pál Aranyosi) und C-659/15 (Robert Căldăraru)

Hier die Entscheidung im (deutschen) Original lesen:

Quelle:

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