Maiforum 2016 (2): Überpruefbarkeit und Leitfunktion richterlicher Entscheidungen

Maiforum 2016 BannerMit den unterschiedlichen Aufgaben und damit Herausforderungen der Begründung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen hat sich HR Mag. Peter Nedwed, Richter am Verwaltungsgerichtshof, bei seinem Vortrag beim diesjährigen MAI-Forum auseinandergesetzt.

Die Rolle des Verwaltungsgerichtshofes im neuen Revisionsverfahren liegt zwar auch nach seiner Rechtsprechung in der Beantwortung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung. Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Verwaltungsgerichtshof schlechthin nicht mehr für die Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit zuständig wäre.

Vielmehr betonte Mag. Nedwed, dass zur Wahrung der Rechtssicherheit dieser Aspekt auch in Zukunft weiter Bedeutung für die Arbeit des Verwaltungsgerichtshofes hat. Den Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes soll darüber hinaus grundsätzlich eine Leitfunktion sowohl für die Verwaltungsgerichte, als auch die Verwaltungsbehörden zukommen. Diese Leitfunktion besteht sowohl in der Frage der rechtlichen Auslegung, als auch darin, welche Feststellungen für eine nachvollziehbare rechtliche Würdigung erforderlich sind. Eine Korrektur verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen durch den Verwaltungsgerichtshof soll daher im Regelfall nur dann erfolgen, wenn die Verwaltungsgerichte diesen Leitlinien nicht folgen.

Die Begründung der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte in der neuen Rollenaufteilung zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichten dient unterschiedlichen Aspekten: Zum einen muss die Begründung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung I. Instanz in nachvollziehbarer Weise gestaltet sein. So müssen sich die tragenden Gründe bereits aus dieser Entscheidung ergeben, Verweise auf den angefochtenen Bescheid in den entscheidenden Bereichen sind nicht zulässig. Das Erkenntnis muss somit auch ohne Kenntnis des Bescheides nachvollziehbar sein. Dies gilt auch für den Fall, dass die Verwaltungsgerichte Spruchkorrekturen vornehmen. Hier muss bei einer Abweisung der Beschwerde zwar der Spruch nicht wiederholt werden, auf Grund der Ersetzung des angefochtenen Bescheides durch die verwaltungsgerichtliche Entscheidung sollte in Zweifelsfälle aber bei einer Abänderung des Spruchs der gesamte Spruch neu gefasst werden. Entscheidend ist hier jedenfalls, dass keinerlei Zweifel daran bestehen, welche Bestandteile des Spruches ersetzt werden.

Zumal es auch Aufgabe der Verwaltungsgerichte ist, im Einzelfall den Verfassungsgerichtshof mit der Frage der Übereinstimmung von Verordnungen mit dem Gesetz bzw Gesetzen mit der Verfassung zu befassen oder etwa dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen, müssen sich die Verwaltungsgerichte in ihrer Entscheidung auch mit diesen Fragen beschäftigen. Ihnen kommt damit eine zentrale Rolle im verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz zu.

Auf Grund der Quantität der Verfahren sind die Verwaltungsgerichte genauso der Effizienz verpflichtet: So sind etwa Ausführungen zur Zuständigkeit der Behörde oder des Verwaltungsgerichts dann nicht erforderlich, wenn diese nicht in Frage steht. Auch muss beispielsweise der Verfahrensablauf nicht in jedem Detail geschildert werden, vielmehr ist es erforderlich, dass Zusammenhänge erkennbar gemacht und der wesentliche Sachverhalt wiedergegeben wird. Die Entscheidungen müssen, insbesondere bei widersprechenden Beweisen, eine nachvollziehbare Würdigung der Beweismittel enthalten. Dies ergibt sich auch insbesondere aus der Verpflichtung der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung in der Sache. Schließlich ist es neben der rechtlichen Würdigung des festgestellten Sachverhalts auch Aufgabe der Verwaltungsgerichte, ihre Entscheidung über die Zulässigkeit einer Revision nicht nur mit den Worten des Gesetzes, sondern bezogen auf den Einzelfall zu begründen.

In seinem Resümee hat sich Mag. Nedwed auf die von ihm einleitend gestellte Frage nach dem idealen Muster einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bezogen. Auf Grund der unterschiedlichen Funktion von Verwaltungsgerichten und Verwaltungsgerichtshof können es die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes nicht sein. Das gute Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts zeichnet sich vielmehr dadurch aus, dass es alles notwendige in kompakter, nachvollziehbarer Weise beinhaltet. Es soll wie eine Kugel rund und unangreifbar sein.

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