Versteckte Leiharbeit als Falle

Mitarbeiter der Finanzpolizei Quelle: BMF
Mitarbeiter der Finanzpolizei
Quelle: BMF

Lässt man in seinem Betrieb Fremdfirmen werken, kann man ahnungslos in Haftungsfallen tappen.

Angenommen, jemand beschäftigt in seinem Betrieb Leiharbeiter und weiß nichts davon. Dann haftet er auch für Löhne und Sozialabgaben, ohne es zu wissen.

So etwas kann es nicht geben? Doch. Das hat die Pleite von VisiCare im vergangenen Oktober gezeigt. VisiCare vermittelte freiberufliche Diplomkrankenpfleger an Krankenhäuser und Pflegeheime. Aber dann prüfte die Krankenkasse – und ein Urteil des Bundesfinanzgerichts bestätigte deren Einschätzung: Die Pflegekräfte sind keine Freiberufler, sondern Dienstnehmer. Und – weil sie ja weitervermittelt wurden – genau genommen Leiharbeitskräfte.

VisiCare brachte zwar ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ein, der Revision wurde aber keine aufschiebende Wirkung zuerkannt. Fazit: Das Unternehmen sah sich mit Nachforderungen von Sozialabgaben in Millionenhöhe konfrontiert – und schlitterte in die Pleite. Das wiederum trifft nun auch die Spitäler und Heime, in denen die Pflegekräfte gearbeitet haben. Denn wer Zeitarbeiter beschäftigt, haftet als Bürge nicht nur für die Entgeltansprüche der Arbeitskräfte, sondern auch für die Dienstgeber- und Dienstnehmerbeiträge zur Sozialversicherung.

Viele Branchen betroffen

Hat der Beschäftiger das Entgelt für die Überlassung bereits an die Zeitarbeitsfirma bezahlt, haftet er als Ausfallsbürge, wird also zur Kasse gebeten, wenn der Überlasser als Zahler ausfällt. Bei einer Insolvenz entfällt die Haftung zwar für Ansprüche, die der Insolvenzentgeltfonds deckt. Für die Dienstgeberbeiträge zur Sozialversicherung bleibt sie aber jedenfalls aufrecht. Wie all das im Fall VisiCare ausgehen wird, ist noch offen; über mögliche Folgen für den gesamten Pflegebereich wurde schon viel spekuliert. Aber längst nicht nur dieser ist betroffen: Bei anderen Branchen ist die Gefahr, in versteckte Leiharbeit hineinzuschlittern, vielleicht sogar noch größer.

Rechtsanwalt Wolfgang Kapek zählt einige auf: „Beratung, technischer Support (zum Beispiel IT), die Werbebranche.“ Ganz generell sei bei Outsourcing, Service- oder Wartungsverträgen oder Vereinbarungen über Vorortunterstützung durch eine Fremdfirma Vorsicht geboten. Anders gesagt: Heikel wird es immer dann, wenn im eigenen Unternehmen auf längere Sicht Mitarbeiter einer anderen Firma werken. Ist das noch ein Werkvertrag – oder schon Leiharbeit?

Laut Kapek, der bei Taylor Wessing CEE das Arbeitsrechtsteam leitet, kommt es etwa darauf an, wie klar die Aufgaben definiert sind, die man an die Fremdfirma auslagert. Geht es um ein Werk, das diese liefern soll (z. B. die Erstellung einer Medienkampagne oder die Installation einer technischen Anlage, wobei dann auch noch eine Zeitlang vor Ort die Funktion überwacht und Arbeitskräfte des Kunden eingeschult werden) sollte es unproblematisch sein. Bei wiederkehrenden, nicht klar definierten Arbeitsleistungen (z. B. Unterstützung bei der Medienarbeit, IT-Support) wird es aber heikel. Und noch mehr, wenn man sich von einer Fremdfirma bei einer Arbeit helfen lässt, die im eigenen Betrieb anfällt.

Wer gibt Anweisungen?

Eine Kernfrage ist auch: Wer gibt den Mitarbeitern des Auftragnehmers Anweisungen, wenn sie beim Auftraggeber werken? Tut es der Auftraggeber selbst, erhöht sich das Risiko, dass das Vertragsverhältnis nicht als Werkvertrag, sondern als Arbeitskräfteüberlassung bewertet wird. Wobei die Sache immer noch vergleichsweise harmlos ist, wenn die Fremdfirma ihre Arbeitskräfte angestellt hat, sie korrekt bezahlt und die Sozialabgaben abführt. Man müsste einem potenziellen Auftragnehmer also diesbezüglich auf den Zahn fühlen, so unüblich das ist. „Vor allem Firmen, die keine eigene Rechtsabteilung haben, tun sich da schwer“, sagt Kapek.

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