Vorabentscheidung: Ist das Verwaltungsstrafverfahren EU-konform?

logo_lvwgBei Einrichtung der Verwaltungsgerichte hat der Gesetzgeber bewusst darauf verzichtet, für diese Gerichte ein eigenes Verfahrensrecht zu schaffen. Vielmehr wurde – mit wenigen Änderungen – das bisher für Behördenverfahren geltende Verfahrensrecht auch für das gerichtliche Verfahren als anwendbar erklärt.

In Verwaltungsstrafverfahren vor den Verwaltungsgerichten führt diese verfahrensrechtliche Konstellation dazu, dass dem Richter die unbeschränkte Pflicht zur Wahrheitserforschung aus eigener Initiative heraus auferlegt wird (Inquisitionsmaxime). Nach der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die Verwaltungsgerichte verpflichtet, in Verwaltungsstrafverfahren den Sachverhalt von amtswegen ohne Rücksicht auf Vorträge, Verhalten und Behauptungen der Parteien festzustellen, die entscheidungserheblichen Tatsachen zu erforschen und dabei alle sich bietenden Erkenntnisquellen sorgfältig auszuschöpfen. Selbst eine den Beschuldigten treffende Mitwirkungspflicht enthebt das Verwaltungsgericht – nach Auffassung des VwGH – nicht dieser aus dem Grundsatz der Amtswegigkeit erfließenden Pflicht (VwGH vom. 15. Dezember 2014, Ro 2014/17/0121.).

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hegt nun in einem Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung des Glückspielgesetzes Bedenken, ob dieses Verfahrensrecht und die dazu ergangene Rechtsprechung mit einer unabhängigen und unparteilichen Stellung eines Gerichtes im Sinne des Art 6 EMRK vereinbar ist (der EuGH hat sich zu dieser Frage bislang – soweit ersichtlich – noch nicht explizit geäußert).

Hinsichtlich der Erhebung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts hat der EuGH aber in einer Glückspielsache (Rechtssache C-390/12) bereits ausdrücklich festgestellt, dass es „dem Mitgliedstaat … obliegt, dem Gericht … alle Umstände darzulegen, anhand deren dieses Gericht sich vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen genügt.“

Der Generalanwalt stellte dezidiert fest, die Beweislast dafür habe die Behörde tragen, womit sich zu der vom Verwaltungsgerichtshof festgestellten uneingeschränkten Ermittlungspflicht zumindest ein Spannungsverhältnis ergibt.

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