EuGH: Keine Bindung an höchstgerichtliche Entscheidungen, wenn diese dem Unionsrecht widersprechen

1214769_ebZwischen dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich und dem Verwaltungsgerichtshof bestehen Auffassungsunterschiede über die Reichweite eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs zur Vereinbarkeit der Bedarfsprüfung des Apothekenrechts mit der Niederlassungsfreiheit.

Im Urteil C-367/12 (Sokoll-Seebacher) hatte der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass die im österreichischen Apothekengesetz für die Bedarfsprüfung vorgesehene starre Zahl des Versorgungspotentials von 5.500 Personen der Niederlassungsfreiheit entgegensteht, da es diese den zuständigen Behörden nicht erlaubt, örtliche Besonderheiten zu berücksichtigen und damit von der starren Zahl abzuweichen.

Das oberösterreichische Gericht sieht einen breiten Anwendungsspielraum für eine Abweichung von den starren Grenzen des Versorgungspotential, laut Verwaltungsgerichtshof sind die starren Grenzen aber weiterhin zu beachten, außer es handelt sich um Apotheken in abgelegenen Gebieten. Insbesondere bei der Errichtung von Apotheken in den Stadtgebieten soll die bestehende Rechtslage weiter gelten.

Da das LVwG gemäß § 63 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes an die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs gebunden ist, sah sich das oberösterreichische Gericht zu einer neuerlicher Vorlage an den EuGH veranlasst. Das LVwG wollte vom EuGH wissen, wie sich ein nationales Gericht verhalten soll, wenn es der Meinung ist, dass das Höchstgericht das Unionsrecht falsch auslegt, es aber gesetzlich daran gebunden ist.

Der EuGH trifft in der Rechtssache C 581/14 („Naderhirn“) eine klare Entscheidung: Das Unionsrecht sticht die nationale Vorgabe, dass untere Gerichte vorbehaltlos an übergeordnete Gerichte gebunden sind: „Entspricht die Beurteilung eines nationalen Gerichts nicht dem Unionsrecht, ist ein anderes nationales Gericht, das nach dem innerstaatlichen Recht vorbehaltlos an die Auslegung des Unionsrechts durch das erstgenannte Gericht gebunden ist, nach dem Unionsrecht verpflichtet, aus eigener Entscheidungsbefugnis die innerstaatliche Rechtsvorschrift unangewandt zu lassen, die von ihm verlangt, sich an die vom erstgenannten Gericht herangezogene Auslegung des Unionsrechts zu halten.“

Jetzt liegt der Ball wieder beim Verwaltungsgericht in Oberösterreich. Für die unterschiedliche Auslegung des Urteils „Sokoll-Seebacher“ ist damit nicht viel gewonnen, denn dazu wurde der EuGH ausdrücklich nicht gefrag.

Hier den Beitrag in der Wiener Zeitung lesen…

Siehe dazu auch:
EuGH verordnet Apotheken mehr Wettbewerb …

Bedarfsprüfung unter Druck …

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