Seit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages im Jahr 2009 gibt es eine eklatante und anhaltende Abnahme an neuen EU-Regeln.
Das zeigen neue wissenschaftliche Untersuchungen in Österreich und Deutschland. Damit schreitet die Vergemeinschaftung von Rechtsbereichen viel langsamer voran als im Jahr 2009 erwartet. Und damit wird auch die Mär vom „Brüsseler Diktat“ widerlegt.
Stieg die Zahl sogenannter Sekundärrechtsakte des Rates (Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse/Empfehlungen, sonstiges) bis zum Jahr 2009 auf jährlich 954, pendelt der Output seither nur noch um jährlich rund 600 (Berechnungen auf Basis des EU-Amtsblattes bzw. Ratsdatenbanken). Wissenschaftler nennen drei Gründe für den Rückgang: den Lissabon-Vertrag, die Schuldenkrise und den kontinuierlichen Abbau an EU-Beamten (jährlich ein Prozent weniger Stellen).
Ein Aspekt, der beim Rückgang neuer Regeln aus Brüssel in der aktuellen politischen Diskussion – insbesondere in Österreich – regelmäßig unbeachtet bleibt: Besonders betroffen von der Reduktion sind Richtlinien. Dieses Rechtsinstrument – Vorgabe eines politischen Ziels, die konkrete Umsetzung, wie es erreicht werden soll, obliegt dem jeweiligen Mitgliedstaat – kommt kaum noch zur Anwendung. Obwohl dies ein klassisches Instrument der Subsidiarität wäre, bevorzugen die Mitgliedstaaten in den letzten Jahren Verordnungen. Diese gelten unmittelbar. Es bedarf keiner nationalen Umsetzung. Gleichzeitig nimmt man sich damit jedoch den Spielraum für individuelle Ausgestaltungen.