Wien ist das einzige Bundesland, in welchem zur Entlastung der Richter Rechtspfleger eingesetzt werden.
In mehreren Verfahren haben Richter des Verwaltungsgerichtes Wien die Einrichtung der Rechtspfleger beim Verfassungsgerichtshof angefochten, weil der Gesetzgeber Kernbereiche der richterlichen Entscheidungsbefugnis auf Rechtspfleger übertragen und dadurch in den genuinen Bereich richterlicher Entscheidungsbefugnis eingegriffen habe.
Wie zu erwarten, verteidigt das Land Wien das Rechtspflegermodell vor dem Verfassungsgerichtshof (hier den Beitrag in der Presse lesen).
Von 1798 Fällen, die bis September durch Rechtspfleger erledigt worden seien (977 negativ), seien nur 239 durch die jederzeit mögliche „Vorstellung“ an den Richter bekämpft worden. Und nur einmal habe der Richter anders entschieden als der Rechtspfleger.
Diese Argumentation geht aber am Kern des Problems vorbei:
Das Wesen der Verwaltungsgerichtsbarkeit liegt in der Überprüfung eines vorangegangen – mehr oder weniger umfangreichen – behördlichen Verfahrens. Die Verwaltungsgerichte haben nach dem vom VwGH entwickelten Prüfungsmaßstab zu beurteilen, ob der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden ist, ob die Verwaltungsbehörde ihre Erwägungen hinsichtlich der entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt hat und ob das Verwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Feststellungen teilt. Darüber hinaus muss vom Verwaltungsgericht geprüft werden, ob nach dem Beschwerdevorbringen das Vorliegen eines mit dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens nicht übereinstimmenden oder darüber hinaus gehenden Sachverhaltes behauptet wurde.
Es liegt auf der Hand, dass eine Verfahrensführung im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nur von Richtern mit entsprechender Ausbildung und Berufserfahrung verlangt werden kann. Die vom Land Wien angeführten Zahlen bringen lediglich zum Ausdruck, dass sich Rechtspfleger, bevor sie entscheiden, sehr häufig mit den Richtern beraten, um divergierende Gerichtsentscheidungen von vornherein zu vermeiden.