Wenn Gerichtsgutachter Kripo spielen

(Bild: Telekom-Richter Michael Tolstiuk) / Bild: APA/R. Schlager
(Bild: Telekom-Richter Michael Tolstiuk) / Bild: APA/R. Schlager

Der OGH bestimmt erstmals: Gutachter, die während der Ermittlungen zum verlängerten Arm der Ermittler werden, kommen später nicht mehr als Gerichtsgutachter in Frage.

VON MANFRED SEEH (DiePresse.com)

Man kennt das aus den großen Korruptions- und Wirtschafts-Strafverfahren: Der Staatsanwalt dirigiert die Ermittlungen, erteilt Aufträge an die Polizei, bestellt einen Gutachter, der Zahlungsströme oder Kontenbewegungen unter die Lupe nimmt. Kommt genug für eine Anklage zusammen, wird diese bei Gericht eingebracht. Eine Verhandlung wird anberaumt. Und dann kommt etwas, das regelmäßig für Wirbel sorgt: Das Gericht bestellt jenen Gutachter, der durch seine Expertise dem Staatsanwalt die Anklage ermöglicht hat, zum Gerichtsgutachter.

Der OGH, Senat 12, nimmt nun in der brisanten Entscheidung 12 Os 90/13x-17 erstmals einige wichtige Weichenstellungen vor: „Wenn ein Sachverständiger bei einem sehr allgemeinen Anfangsverdacht von der Staatsanwaltschaft mit nicht weiter determinierten Erhebungen zu einer Straftat (…) beauftragt wird und das vorhandene (…) Beweismaterial aufarbeitet und auf ein strafrechtliches Verdachtssubstrat hin untersucht, dann mutiert er von einem unabhängig agierenden Experten (…) zu einem verlängerten Arm der Ermittlungsbehörden und damit funktional zu einem Organ der Ermittlungsbehörde.“

Die Höchstrichter ziehen einen Vergleich: „Wer in derselben Strafsache als Kriminalbeamter tätig war, darf später nicht als Staatsanwalt agieren und umgekehrt.“ Übrigens: Auch ein Richter, der im Vorverfahren tätig war (etwa eine Hausdurchsuchung gemehmigt hat), darf später nicht in der Verhandlung eingesetzt werden.

Jedenfalls kommt der OGH zu dem Schluss: „Wer daher inhaltlich als Ermittlungsorgan gewirkt hat, darf nicht später als Sachverständiger einschreiten; vielmehr wirkt eine solche funktional als Ermittlungsorgan erfolgte Vorbefassung als Befangenheitsgrund.“ Und die Gerichte müssten in solchen Fällen für die Verhandlungen neue Gutachter bestellen. Sie dürften nicht die „alten“, staatsanwaltlich bestellten Sachverständigen übernehmen.

Fazit: Wer als Gutachter aufgrund eines (zu) schwammigen Auftrags des Staatsanwalts Kripo spielt oder spielen muss, ist später in der Verhandlung quasi nur Zaungast.

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